Tunnelwanderung im Tal der Tempe

und ein letzter Strand nahe Katerini            und mal wieder tiefe philosophische Seinsfragen….


14.6.

Eine leuchtend gelbe Kugel über dem Meer. Heranrauschende Wellen, die über den Sand laufen und ein gemütlicher Wind, der die Fliegen vertreibt. Mein letzter Morgen hier draußen an der griechischen See. Schon lange sitze ich auf meinem Stühlchen, schlürfe meinen ersten und zweiten Kaffe und genieße die Morgenstille.

 

Die anderen Besatzungen der Womos schlafen noch. So tauche ich ungestört von Lärm und Geraschel in meine so spezielle Morgenzeit.

Ein Fischerboot tuckert vorbei und Vögel zwitschern ihr Lied an diesem so unspektakulären und fast langweiligen Sandstrand. Hatte ich nicht auch mit Sandstrand angefangen so höre ich hier nahe Theassaloniki in Koronis wieder damit auf.

 

 

 

 

 

 

Schwülwarm und heiß war es gestern und bei der Suche nach dem besten „Sandplatz“ fegt ein Regen-und Gewittersturm über mich her. Angedachte Wege werden zu matschig, weich und sandig. Brummeli fährt rückwärts. Viele Wege werden ausprobiert. Da gibt es bei der Kirche den Schwuliplatz. PKWs kurven umeinander auf der Suche.

Und dann ein großer Platz. Weit vorne steht ein Brummeli am Strand, ein anderes Allradpäarchen ist auf der Suche nach einem windgeschützten Platz für ihr Dachzelt und ich bugsiere Brummeli am anderen Ende auf Grassand.

Später gesellt sich noch ein olivgrünes Allradwomo dazu. Kennen wir uns nicht, fragen sie. Ich hatte sie schon diverse Male auf dem Peleponnes gesehen, aber immer nur im Vorbeifahren. „Wir haben uns in Spanien getroffen, sie haben uns von den Höhlen erzählt.“ Ich kann mich nicht wirklich erinnern. Das Gespräch hat wohl keine große Spur in mir hinterlassen. Mittlerweile mit jungem Hund bauen sie sich in der Mitte auf. Ein begehrter Womoplatz hier. Es ist interessant, manchmal fühle ich mich den Menschen, die auch so unterwegs sind sehr nah und dann wieder total weit weg. So geht es mir mit den Beiden.

 

 

 

 

 

Auf meinem Weg hierher rolle ich durch das Tal der Tempe am Fluß Pinos. Die Schlucht überbrückt mit einer großen Hängebrücke den gelben Fluß. Auf der anderen Seite gibt es die heilige Quelle, eine Kirche und eine alte Bahntrasse, der man entlang laufen kann.

 

 

 

 

 

Ein kleiner Dschungelpad im saftigen Grün, dunkele Tunnel und ein Kraxelsteig hinüber auf die andere Seite der Berge. Das Kraxeln lass ich sein. Der Weg ist wenig begangen und verläuft sich in den Steinen. Der Tunnel mit einem großen Eisenschloß versperrt. Und der Schienenstrangtunnel? Er verliert sich im tiefen Schwarz und Dunkel. Ob hier wohl noch Züge fahren, überlege ich. Eher nicht, denn die Oberleitungen sind abgebaut und die Schienenstränge rostig. Kein Glanz und kein Menschlein weit und breit und das Wärterhäuschen hat wohl auch schon bessere Zeiten gesehen. Meine Taschenlampe liegt in der Schublade. Zurück zu den „Heiligen“ der Kapelle. Die Endloswerbung der Taverne wabert über den Fluß. Doch hier hinten ist Stille, nur Vogelgewzitscher und die hohlen Schritte auf dem Tunnelkies.

 

 

 

 

 

Nur tief geduckt geht es durch den Berg zur Quelle. Am Spaltende läuft das Wasser über ein Becken hinunter in den Berg, wo es weiter vorne einen gefaßten See füllt und sich dann mit dem großen gelben Fluß vereint. Menschen lassen Ketten hier in der Hoffnung auf Heilung und füllen sich das Wasser in kleine mitgebrachte Flaschen.

Glaube und Hoffnung sind wohl wichtige Halteseile in unserem Leben, wenn das Unwiderrufliche, das Ungeheuerliche anklopft, wenn Leiden gelindert werden möchte.

 

 

 

 

 

Was wäre, wenn wir die Ursache von Leiden erkennen? Nicht das Draußen, unsere verrückte und wahnsinnige Welt, sondern das Drinnen. Wenn wir erkennen, wie wir uns selbst Leiden kreieren, weil wir es besser wissen wollen.

Immer wieder berühre ich in mir einen Ort, an dem mir bewußt wird, wie mein Ich, meine Identität und Selbstverständlichkeit in Frage gestellt ist. Aller Glaube, alle Hoffnung, alle Sehnsucht, alle Wünsche kommen und gehen. Sie können eine Wahrheit ahnen, können sich aber genauso zutiefst täuschen. Ahnung und Täuschung liegen so nah beiander.

Ist das zugrundeliegende Leiden, das Leiden des Menschen an sich selber – Fragezeichen, Fragezeichen, Fragezeichen.

Ich bin wohl gerade in einer sehr philosophischen Phase und ich liebe es diese Fragen zu stellen und mich damit auseinander zu setzen.

 

Die Frage, die ich mir vor Jahren einmal gestellt wurde – warum ich wirklich reise – ist auch eine, die mich begleitet. Und da laufe ich durch den Tunnel und ein Gedanke blitzt auf:
Ich reise, damit ich keine Angst mehr vor dem Unbekannten habe. Jede Erforschung erfordert Mut einen Schritt ins Ungewisse zu tun. Ist das der tiefere Sinn meines Reisens? Ist das der tiefere Sinn meines Nomadenlebens?

Nicht festhalten an Gewohnten und Vertrautem, sondern den Mut zu finden ins Unbekannte zu gehen. Spannend, höchst spannend!