Pagasitischer Golf hoch im Norden kurz vor Pteleos

oder das Wasser und seine tragende Mitte….                                                            und Abschiedsgedanken

13.6.

Wenn der Morgen an die Womotür klopft, nein nicht klopft sondern trappelt. Die Esel wandern durch den Kies an mir vorbei und die Wellen platschen leise ans Ufer. Die Sonne noch hinter dem Hügel und der schlafende Wind irgendwo weit weg im Süden. Ein paar doofe Fliegen – sie lieben das Salz auf meiner Haut. Vor mir grüne Berge, hinter mir grüne Berge. Ich bin in einer Bucht von einer Bucht von einer Bucht am Pagasitischem Golf.

 

 

 

 

 

Oberhalb die neue Straße, kaum befahren und hier in diesem kleinen Rund vom Strand sind die Esel zuhause. Wer kommt denn hier, scheinen sie mich zu fragen, grasen aber ungestört weiter. Ich stelle Brummeli ganz nach vor auf den Kies und nach der langen Fahrt wird erstmal geschwommen. Ach tut das gut!

Mein angedachter Platz bei Glifi tief in den Olivenhainen auch an einer Bucht, war schon in griechischer Hand. Ein Wohnwagen und ein paar Menschleins. Sie grüßen freundlich und machen mir Platz, damit ich auf dem Weg weiter rollen kann. Irgendwann ist auch für mich Schluß. Die Äste hängen zu tief. Ich könnte bleiben an meinem Wendeplatz. Aber es gefällt mir nicht so gut. Dümpelnde Segelboote auf dem Wasser, das nicht sehr einladend ausschaut. Dunkelgrün und auch der Matsch muffelt ein wenig. Es ist noch eine tiefere kleinere Bucht in der Bucht von der Bucht. Kein Weitblick und vor allem viele kleine fiese Pieksermücken. Also weiter über den Berg hierher.

 

 

 

 

 

Am Morgen verabschiede ich mich mit einem langen Schwimmerli in der malerischen Bucht. Ich schwimme zu den hohen Felsen, die ausschauen als ob es eine Höhle dort gäbe. Hoch ragen sie neben mir auf und tief unter mir verlieren sie sich irgendwo im Dunkel. Eine spannende Welt.

Als Menschlein in diesen unendlichen Tiefen fühle mich ziemlich klein. Die Natur, die echte und wirkliche Natur ist so viel stärker als wir. Da schwimme ich weit weg auf dem Wasser. Unter mir Tiefe über mir Weite. Spiegelglatt und kristallklar, nur meine Schwimmzüge verlaufen sich langsam am Ufer. Es ist spannend wie das Wasser die Mitte hält – ich falle nicht hinunter und werde aber auch von der Luft nicht weggeblasen.

 

 

 

 

 

In diesen Zeiten (wie oft habe ich das schon gesagt) ist es für mich hilfreich, die Mitte zu spüren. Nicht abzustürzen in die Tiefen der Unmenschlichkeit, die sich in den Dramen einzelner Menschen widerspiegelt. Da werden Existenzen vernichtet, unnsinnige Verleudmungsvorwürfe erhoben und Menschen kriminalisiert, die zutiefst aus ehrlicher Überzeugung die andere Seite der Medaille aufzeigen. Anstatt miteinander zu reden, werden Waffen geschmiedet, werden Prozesse angestrengt, um sie mundtot zu machen. Einfache Menschleins, die nur für ihr eigenes Überleben sorgen werden mit fragwürdigen Methoden drangsaliert und müssen mühselig die Balance halten, um nicht selber abzustürzen in diesem Weltenwahnsinnsdrama.

Andere Menschleins erleben dies Drama in ihrem Körper, wenn der Krebs explodiert und gefühllose Ärzte die Hiobsbotschaft per Telefon mitteilen. Sie haben noch drei Monate zu leben, melden sie sich schon mal bei der Palliativstation. Von jetzt auf Nu ist alles in Frage gestellt und die schwerste Lebensaufgabe klopft an. Wie gehe ich mit meiner Endlichkeit um? Kämpfen, wie lange? Akzeptieren, wann? Und was ist, wenn ich – mein Ich, das mich durch das Leben trägt und getragen hat, sich von mir mit meinem Körper verabschiedet? Bin ich vorbereitet? Kann man sich überhaupt vorbereiten und wie? Ab wann bin ich in der Lage meine Identität loszulassen – der große Sprung ins absolut Unbekannte.

Der große Abschied von der Liebe, von dem Möchte-ich-noch-gerne, der große Abschied von der Welt der Erde, meinen Ideen und Vorstellungen, meinem Glauben und Hoffnungen und zum Schluß der Abschied von mir selber.

Ein langes Telefonat mit einer Freundinn, die mir von ihrer Bekannten erzählt, bringt mich zu diesen Gedanken. Das große, große Loslassen – vielleicht kann man es ein wenig üben im normalen Alltag. Nicht festhalten an liebegewordenen Vorstellungen und Gewohnheiten. Wenn aber das wirkliche Loslassen anfängt, wenn man selbst in diesem Hexenkessel sitzt und weiß es gibt kein Entkommen, ist es sicherlich nochmal ganz ganz anders. Als mein Mann starb, konnte ich nur von außen zuschauen und von innen mitfühlen. Über die Brücke konnte ich nicht mitgehen.

 

 

 

 

 

 

Dieser tiefe Schritt in das große Alleinsein, das dort an der Tür anklopft, diesen Schritt machen wir bildlich gesprochen, splitterfasernackt und ganz allein.  Wenn sich das Bewußtsein vom Geist trennt oder sich aus der Begrenzung der Körperlichkeit erhebt, ist dies vielleicht ein Moment der größten Angst und gleichzeitig der größten Freude. Vielleicht?

 

Wenn Angst und Freude sich nicht mehr gegenüber stehen, sondern Hand in Hand entdecken, das sie Teil der gleichen Münze sind, dann…

Fragezeichen, Fragezeichen, Fragezeichen.