Im wilden albanischen Osten

oder auf rumpeliger Straße durch ursprüngliche Bergwelt…

 

9.6.

Leise bimmeln die drei Viehhirten auf ihren Pferden früh am Morgen vorbei. Irgendwo da hinten sind wohl ihre Herden. Die Sonne ist schon aufgegangen, während ich noch mit meinem Kaffee in der Hand die Träume aus meinen Augen wische. Stille umgibt mich auf diesen Wiesen im wilden Albanien oder einsamen Osten. Vor mir die Shilouette der hohen Berggipfel. Nur weit verstreute Dörfer in dieser Welt, die wohl im Winter im Schnee versinkt. Einst waren sie wirklich nur mit Pferden erreichbar. Aber auch hier werden Straßen gebaut. Pisten verbreitert, damit das Auto Einzug halten kann. Noch sind es aber eher schmale, löchrige Buckelpisten.

 

 

 

 

 

Ursprünglichkeit umgibt mich. Die Hirten winken und lachen freudig. Leider verstehe ich ihr Kauderwelsch nicht. „Mir, Mir“ sage ich, das heißt gut, gut. Mehr kann ich nicht. Aber sie verstehen, daß ich hier bleibe und haben nix dagegen. Mir fällt auf, das sie sehr, sehr laut reden, fast schreien. Auch bei einem kleinen Einkauf in einem Minimarkt fällt mir dieses Laute auf. Öfters werde ich gefragt, wie alt ich bin. Und staune dann nicht schlecht, daß sie genauso alt sind, aber für mich wie „Alte“ ausschauen. Das rauhe Leben hier oben in den Bergen hinterläßt Spuren und vielleicht sind sie schwerhörig geworden oder waren es immer schon. Ein Gegensatz zu der Stille hier.

 

 

 

 

 

Kein Wochenendgewusel, kein Autoverkehr und fast kein Müll der herumliegt. Gestern in der Früh fragte ich mich: Wohin? Richtung Griechenland? Es ist Wochenende und jeder will ans Meer oder nochmal eine Rundtour hier hinten in die „fast unbemannten“ Berge. Wie gut, daß ich mich für letzteres entschieden habe.

 

 

 

 

 

So tingel ich die Straße von Carcove hinauf Richtung Korca. Eigentlich will ich ja die SH 75 fahren, werde aber von Einheimischen gewarnt. Für PKWs ok, aber ich bin zu hoch. Also schnurre ich die SH 65 hinauf, die in Leskovic wieder auf die 75 stößt. Ganz nah an der griechischen Grenze entlang.

Beeindruckende Flußlandschaften des Aoos, mit befahrbaren Hängebrücken und Dörfern die am Berghang kleben. Erst nach Leskovic wird die Straße rumpelig, schmal und führt steil hinauf in die Berge. Augenschmaus pur. Brummeli ist ja rumpelig gewohnt und ich die Kurverei.

 

 

 

 

 

Ein kurzer Abstecher, zwecks Platzsuche führt zu einem Wendemanöver auf schmaler Straße. Xmal hin- und her gekurbelt, dann rumpel ich wieder zurück. Ein junger Bursche mit seiner Mutter hatte seine Kreditkarte vergessen. Das Auto wird mitten auf dem Weg stehen gelassen, zurück gerannt und geholt. Es kommt ja normalerweise keiner. Paar Meter weiter vorne wäre genug Platz gewesen und die Mutter kann nicht Autofahren, sagt sie mir.

Kurz vor Borova gibt es noch einen Abstecher. Brummeli baut sich auf einem kleinen Plateaux auf. Es ist aber noch früh, denke ich mir bei der kleinen Brotzeit. Da lockt doch noch der See, vierzig Kilometer weiter bei Vithkuo.

 

 

 

 

 

Borowa hat ein großes Kriegsdenkmal, denn hier gab es ein schreckliches Massaker an der Dorfbevölkerung. Krieg, egal welcher, entfesselt immer die bösen Kräfte im Menschen. Rachegedanken, Zorn und Angst vernebeln den Blick, brechen durch und so führt Gewalt zu Gegengewalt und die Spirale dreht sich weiter und weiter. Das sich jeder Mensch durch sein Handeln sein Schicksal kreiert ist wohl vielen nicht ganz so bewußt. Das,  was man sät, wird man irgendwann ernten. Wenn nicht in diesem Leben, dann in einem nächsten. Das war wohl die wichtigste Botschaft, die ich damals im Himalaya vom Dalai Lama mit auf den Weg bekam. Wenn man diese so simple Einsicht beachtet, braucht man kein Moralin oder sonstiges.

Aus dem tiefen Inneren versteht man, das man für sein Glück selbst verantwortlich ist, durch das was man tut. Die tiefen Wahrheiten sind immer ganz einfach, aber wohl am schwierigsten umzusetzen.

 

Der See läuft fast über. Von dem kleinen Inselchen in der Mitte ragt nur noch der Baumwipfel heraus. Alle potentiellen Wege sind verschlammt. Ich rolle weiter auf einer Piste zu einem kleinen Fischweiher. Auch hier der weitere Weg verschlammt und unten auf der Wiese kein Weitblick.

Also zurück zum Marterl . Die letzten Hirten kommen zurück, winken und mit Weitblick läute ich den Abend ein. Ein guter Platz im wilden Osten.