oder wenn die Welt für einen Augenblick still steht
15.10.
Guten Morgen, du Morgen, du Heute.
Langsam reckelts du dich aus deiner Wolkendecke hervor und bringst Licht in das Dunkel. Das was unsichtbar war, wird sichtbar, Konturen zeigen sich und die Welt ist wieder da mit ihren Formen und Farben, mit ihrem Leben und Geschehnissen.
Dieser Blog heute ist Hans gewidmet, der ganz unvermutet hier in Monte Negro seinen letzten Schnauferer tat. Im ihrem blauen Bus standen sie hier und dann passierte das Unerwartete. Auf dem schnöden Parkplatz an der lauten Straße, schauten seine Augen ein letztes Mal in die Welt, was sahen sie wohl und was nahm er mit hinüber auf die andere Seite.
Sein Leben war vorbei von einem Moment auf den anderen, sein Leben hier auf dieser Welt in diesem Körper. Ein braver Mann, so sagen viele von ihm, ein unergründlicher Mann, andere. Ein Mann der Tat und Hilfsbereitschaft. Ich kannte ihn nur so kurz. Sein Schweigen, sein Lächeln, der Blick seiner Augen ließen von Tiefe ahnen, die er nicht Worte faßte.
Und so stehe ich heute da, wo er einst stand. Ich komme mit leeren Händen, noch nicht mal ein Steinchen habe ich mitgebracht. Ein paar duftende Salbeiblätter wachsen in der Nähe und die Gedenktafel am Felsen erzählt ein bißchen von ihm, wenn man lauscht und läßt das Drama ahnen, das sich für seine Frau ergab.
Der Bootsmann ist da. Man kann hier mit ihm über diesen verwunschenen See shippern. Er hofft auf Gäste. Das Wetter ist schmuddelig grau. In seiner stoischen Art sagt er, ja das gehört zum Leben, der Tod, das ist so. Der bunte Zug rattert, Autos rauschen vorbei und das Leben geht weiter seinen Lauf.
Für einen Moment hatte es hier still gestanden, hatte aufgehört zu pulsieren, sich zu bewegen. Für einen Moment wurde die Welt angehalten, bevor ein neuer Kreislauf beginnt. Für ihn, für seine Frau für alle. Was wissen wir schon was Leben mit uns vor hat, wohin es uns führt. Was wissen wir schon welche Aufgaben Leben für uns bereit hält, Aufgaben an denen wir wachsen oder verzweifeln, Aufgaben die manchmal zu groß erscheinen und dann sich ganz einfach lösen. Was wissen wir schon über die tiefe Bedeutung unseres Hierseins.
Fragen, die auch in unserer aktuellen Coronawelt wichtig sind, zumindest für mich. Ich kam ja von Ulcinij über die Berge. Ein kleines schmales Sträßchen führt hinüber zum Skardasko Jezero, diesem See und lang geht es an den karstigen Felsen entlang. Ich will noch zum Kloster Ostrog, aber es ist schon zu spät geworden. Auf der Suche nach einem schönen Plätzchen verheddere ich mich auf kleinsten Wegen.
Ein kleiner Platz am See wird von mir verschmäht und so lande ich hier am türkisenen Fluß Zeta auf einer großen Kuhwiese bei Danilovgrad. Ein Fischer ganz still und leise treibt vorbei, bevor das frühe Dunkel den Tag übernimmt. Ein schöner Paddelfluß mit seinen Mäandern, gesäumt von den gelben Blätter der Bäume. Der Sommer ist vorbei und die Tage werden so kurz.