Am weit verzweigten See bei Alqueva

oder zügig gen Westen…

 

25.10.

Ein paar blökende Schafe, Bimmel-Glocken und eine aufgehende Sonne über dem Wasser. Es ist kühl,- nur so 10 Grad, brrhhh!!! Komm Sonne scheine, damit die Luft wieder wärmer wird. Im Westen eine kleine graue Wolkenwand, die nicht allzu gutes verspricht. Ich bin wieder in Portugal gelandet, nicht weit weg von der spanischen Grenze am großen weit verzweigten Stausee von Alqueva. Nachdem Wetterfrosch von kühl bis kalt hier im Norden munkelt und mit seinen großen roten Kulleraugen rollt, entscheide ich mich relativ zügig Richtung Algarve zu fahren. Da ist es nämlich wärmer, sommerwarm und da darf Radl und Boot überwintern. Und ich, sonnenverwöhnt wie ich bin, schlottere schon bei 10 Grad. (Könnte mich ja auch wärmer anziehen, grins, grins!)

 

 

 

 

 

Und so sitze ich hier am Morgen noch gemütlich im warmen Bett und lausche den Eindrücken, die sich da als Bilder und Worte in meinem Kopf formieren. Bei Sonnenschein rolle ich durch die Extramadura-Landschaft, geprägt von Feldern und Farmland und viel viel natürlicher Weite. Ab und an ein Krüppelbaum oder eine alte Brücke aus annudzumal.

 

 

 

 

 

Ich rumpel die Piste hinunter, teils steinig aber meistens gut zu befahren. Brummeli kommt gerade so um die Ecke und die Brücke ist gottseidank breit genug. Wendestellen gibt es erst wieder weiter oben oder auf der anderen Seite. Stolz und erhaben positioniert er sich mitten auf der Brücke – nachdem Motto, das kann ich doch! Wie so oft bin ich sooooo froh um ihn. Und ich merke wie selbstverständlich ich irgendwelche Pisten reinfahre, wo ich früher lange drüber nachgedacht hätte.

Der Horizont ist mit Brummeli so viel weiter geworden. Er trägt mich an stille Ufer über kleinere Pisten und auch über ein paar Felsbrocken. Kann ich doch, zwinkert er mir dann immer wieder frech zu. Braver Brumm, meine Antwort.

 

 

 

 

 

Noch eine Stunde weiter und dann rolle ich die Piste hinunter zum See und zu den alten Steinen „Anta da Torrejona“. Ein etwas verwegener Bulli steht dort umgeben von fast tausend leeren Wasserflaschen. Ich finde mein Platzerl etwas weiter vorne außerhalb der Sichtweite von Privathäusern. Das Gelände erforscht und dann sehr schnell nach innen. Ein kalter Wind fegt umeinander. Da ist es drinnen doch viel gemütlicher. Ein paar Whatsapp wandern noch hin und her.

 

 

 

 

 

Wie gehen wir Menschleins mit Ausnahmesituationen um? Schonungslose Ehrlichkeit oder einfühlsames Mitschwingen auf den Wellen des aufgewühlten Meeres? Ich erinnere mich zu gut, als meinem Mann die Kräfte verließen und unser Hausarzt meinte. „Richten Sie sich darauf ein, dass sie jetzt mehr Zeit auf der Couch zuhause verbringen, bis sie dann bald das Engelchen holen kommt. “ Wir konnten damals mit dieser schonungslosen Offenheit nicht umgehen und haben den Arzt gewechselt. Er hatte Recht unser guter Dr.B., aber es war noch zu unerträglich. Und das Unerträgliche war auch, das mein Mann so einen Monat vorher genau das geträumt hatte: er lag auf der Wiese und eine helle weiße Frau kam ihn holen. Wir haben nie direkt darüber geredet, weil es uns zu sehr weggeschwemmt hätte. Wir konnten uns nur zaghaft der Wahrheit nähern.

In Zeiten, in denen die Welt fast stehen bleibt und der Moment nur vom Ticken der Uhr begleitet wird, in solchen Zeiten kann die Wahrheit überfordend sein, für unser Seelchen einfach zu viel. Da heißt es dann einen Schritt zurücktreten und sich vom anderen, von dem der im Hexenkessel sitzt, führen lassen. Das ist genau das, was auch im Hospiz gelebt wird. Nicht ich als Außenstehender führe, sondern derjenige der sich im Prozess befindet. Nicht immer einfach wenn man es zum einen nicht weiß und zum anderen die eigene Hilflosigkeit nicht erkennt und aushalten kann. Und das bezieht sich nicht nur auf Prozesse des Sterbens, sondern generell auf traumatische Erlebnisse.

Ist es ein Wunder das ich die letzten Tage des öfteren von meinem Mann träume? Durch das Begleiten von jemanden mit einer traumatischen Erfahrung wird mein eigenes Erleben nochmal wachgerufen. Und bevor ich urteile, verurteile schaue ich lieber, wie ist es mir damals selbst ergangen und das hilft mir heute im Verstehen.

 

 

 

 

 

Und ihr lieben Reise-Leser müßt das alles über euch ergehen lassen. Aber ihr seid ja schon „Kummer“ gewohnt. War es erst die ganze Coronazeit, die Weltenpolitik, die mich nach wie vor beschäftigt, so steht jetzt gerade eine tiefes Seelenschwingen im Vordergrund. Oder ist es nur eine Wippe, die von oben nach unten schaukelt und nie wirklich stehen bleibt.

Unser Leben in seinen verschiedenen Momenten ist doch schon ein tiefes Mysterium, nicht wahr.

 

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