Tiefe Lebensfragen und Philosophie in Aljezur

und die zerklüfteten Felsen von Lagos

 

26.-28.10.

Guten Morgen an meinem so heiligen und liebgewordenen Eremitenplatz, Philosophenplatz, tiefen Nachdenkplatz und einfach Daseins-Platz. Mal wieder tauche ich in so tiefe innere Schichten ab und beginne ganz langsam etwas zu verstehen. Hier in den Wintern 2020/21 und 21/22 bin ich durch tiefste innere Täler gewandert, hab viel geweint und wußte oft gar nicht warum, wieso und weshalb. Ich habe eine Sehnsucht gespürt, die mich damals fast zerrissen hat. Es war die Sehnsucht nach einem Ankommen undzwar nach einem Ankommen tief in mir selbst.

 

 

 

 

 

Wenn man in tiefste innere seelische Schichten abtaucht, oder bildlich gesprochen,- den Brunnen auf der Steigleiter immer tiefer hinunter steigt und noch tiefer und noch tiefer, dann wartet auf mich am Ende eine Ungeheuerlichkeit, die mir die Sprache verschlägt. Kaum in Worte zu fassen, damit es nachvollziehbar wird. Und „witzigerweise“ hat mir meine kleine Erkältung wirklich die Sprache genommen, meine Stimme ist weg. Also bin ich auf der richtigen Spur, um das zu weiter zu führen, was 21 angefangen hat. Schreiben kann ich ja!

 

 

 

 

 

Und was war das, was 21 angefangen hat? Nachdem ich 2020 in puncto Corona und all dem anderen Schlimmen meiner Intuition, meinem Bauchgefühl gefolgt bin, habe ich das 2021 in Bezug auf mich selber getan. Keine bewußte Entscheidung, vielmehr, so erscheint es mir, wurde ich da einfach hingeführt, vom Leben oder vom Schicksal, egal wie man es nennt.

 

Unserer aller Gretchenfrage ist doch die, wer bin ich ganz wirklich?

 

 

 

 

 

Die Rollen, die ich im Leben übernehme? Die Überzeugungen, die mir eine Erklärung für mein Handeln bieten? Die Gefühle, die ernst genommen sein wollen, die mich aber auch in ihrer Dringlichkeit und Absolutheit in die Irre führen können? Die Muster, die ich aus meinem bisherigen Lebensverlauf erkenne? Gibt es etwas, das aus der Tiefe ins Licht geholt werden will? Ja, es gibt ein Lebensmuster, eine Angst oder eine Lebenshaltung, die mich immer begleitet hat: ich könnte etwas falsch machen. Klingt nicht spektakulär, kennen ja so viele von uns. Nicht gut genug zu sein, es verkehrt zu machen undsoweiter, undsoweiter.

Was wäre ,wenn ich an die tiefste Wurzel dieses Gefühls komme? Was finde ich im Urgrund, auf dem Boden der „Tiefsee“. Welches Erleben wartet dort auf seine Befreiung? Es liegt tiefer als unsere normalen Unzulänglichkeiten, die sich aus dem Leben ergeben. Papa, Mama, Groß-geworden-sein undsoweiter. Es liegt jenseits von dem, was wir uns normalerweise erklären können. Ich ahne, das es mich zutiefst erschüttert, so wie 2021, wo ich nur noch heulen konnte. Ich bin ganz anders, als wie ich immer dachte. Was mir damals sozusagen nur als Flash von außen entgegen kam, als ich von einem Stück Wahrheit berührt wurde, muß ich heute in mir selber entdecken. Das heißt den Mut finden, dieses ursprüngliche falsch gemacht haben, auszuhalten. Da hilft auch keine Beschwichtigung. Die Ungeheuerlichkeit, das Erschrecken will gefühlt sein. Kein normaler Dämon, den man anfüttert, um ihn zu bändigen. Es läßt sich durch nichts schönreden.

Das ist kein Dämon in diesem Sinne, sondern es ist die tiefe Frage nach unserem Menschsein überhaupt und dem Irrtum, dem wir erliegen. Als Mensch sind wir in die Welt der Dualität hinausgeworfen und müssen mühselig Schritt für Schritt oder auch Leben für Leben durch das Dickkicht von Materie, Irrtum und Festgehalten-sein in einer selbstgemachten Illusion, einen Weg aus der Zweiheit in die Einheit finden.

Nur hochtrabende philosophische Gedanken? Gefühlt erlebe ich das so, dass ich an einer Tür stehe, die es aufzumachen gilt. Und die Frage, die ich mir stelle, bin ich innerlich stark genug, um diese Ungeheuerlichkeit auszuhalten? Kann ich erkennen und fühlen, das das Ich es ist, das sich auf das Rad von immerwiederkehrendem Karma gebunden hat,- auf das Rad von Leid und Illusion.

 

Na, dann steig doch einfach vom Rad herunter, grinst Seelchen frech. Löse dich von der Illusion des Ichs und vor allem des Ich-wills. „Ich“ – versus Schicksal???? Letztlich sitzen wir doch alle im gleichen Boot, sind alle in der Tiefe eins. Kein oben, kein unten, kein rechts und links, kein besser und schlechter. Was ist wenn unsere normale Lebensorientierung nicht mehr aussreicht?

Vielleicht ist genau dies die Ungeheurlichkeit, die Ungeheurerlichkeit einer großen, großen Illusion. Aufwachen aus dem Traum, der sich normales Leben nennt. Wohin ich dann aufwache keine Ahnung. Ist das dann nur die Erfüllung von Leben an sich? Wahrscheinlich steht dann nur irgendwo ein großes E G A L geschrieben.

 

 

 

 

 

Und was hat das alles mit meinem ganz normalen Unterwegs-sein zu tun? Ich weiß es nicht wirklich. Aber dieser Platz hier scheint mich anzuregen in meine Seelentiefen hinunter zu steigen und wenn nur die kleine Erkältung hilft, Ruhe zu geben und nicht allzuviel rumzuhampeln.

 

 

 

 

 

Aber,- ein bißchen rumhampeln muß ich doch. Ein Spaziergang zu meinem Meditationsplatz mit Weitblick über das Meer oder eine kleine Wanderung entlang der Algarvefelsen bei Lagos. In warmes Sonnenlicht getaucht zeigen sie sich in ihrer ganzen Schönheit. Boote kommen heran und shippern ihre Menschleins haarscharf an den Felsen vorbei. Von oben kommen sie herunter, um die Schönheit zu celebrieren und ich mit.

 

 

 

 

 

Ich schwelge kurz in alten Zeiten, wo ich entlang dieser tollen Felsen wunderbare Womoplätze hatte, die heute so verboten und sanktioniert sind. Selbst parken dürfte ich hier nicht. Portugiesischer Wahnsinn, die schönsten Wanderplätze an der Algarve mit einem Parkverbot und die kleinen Straßen dahin mit einem Fahrverbot für Womos zu belegen. Parken tue ich trotzdem, finde es aber nicht toll. So ist das damalig so einzigartige und schöne Portugal mit seiner Küste für Womos zu einer Art Spießrutenlauf verkommen. Das ich dann trotzdem meinen Geheimplatz immer wieder anfahren kann, grenzt an ein kleines Wunder. Aber für mich ist das ja hier ein ganz spezieller Platz, für andere wäre er wahrscheinlich uninteressant. Und so beobachte ich das Fröschlein im Tümpel, das zu mir herschaut. Beim Vorbeigehen platschen sie ins Wasser – beim Stillstehen kommen sie langsam an die Oberfläche und schauen mich an. Welche Wahrheiten schlummern hinter ihren Kulleraugen?