oder Nemrut Dagi und ein Platz über dem Euphrat
12.5.
Schlafen in der Geborgenheit der Bäume, angekuschelt an die Felsen, damit mich Gewitter, Wind und Regen nicht zu dolle erwischen. Und aufwachen ein paar Meter weiter oben auf einem großen Plateau. Wenn da nicht der Strommasten brummen täte, ja dann,- ein Exclusivplatz. Von oben auf die Niederungen der Welt schauen, – dem großen Euphrat in seinen Windungen folgen. Menschen bauen Staudämme, lassen den großen Fluß fast versiegen, um ihn weiter weg als See wiederzufinden. Stoisch erträgt er dieses Tun, läßt die Menschen machen. Seinen wirkliches Fließen können sie nicht aufhalten.
Symbol für unseren eigenen inneren Lebensfluß, der sich letztlich auch nicht aufhalten läßt, egal wie groß der Staudamm, wie hoch die Steine, wie eng die Felsen, wie unendlich weit die Niederungen und der Sumpf ist in denen er sich verlaufen kann. Unser ureigener Lebensfluß findet seinen Weg. Vielleicht ist dies genau unsere Lebensbestimmung – Hindernisse aus dem Weg zu räumen, zu umfließen, um in der unendlichen Weite das ganz eigene uns selbst zugehörige Flußbett zu bauen. Und vielleicht braucht unser Fluß irgendwann noch nicht mal mehr ein Flußbett, wenn er sich dem Delta nähert. Süßwasser verbindet sich mit dem Salz des Meeres und man kann die beiden kaum mehr unterscheiden. Und vielleicht sind diese ganzen Hindernisse eigentlich gar keine, weil sie der Natürlichkeit des Flusses und seiner Welt entsprechen, die eigentliche Natur wiederspiegeln. Das kommt davon wenn ich hoch oben über der Normalität der Welt throne.
Und das kommt davon, wenn ich hoch oben in Nemrut Dagi bei den Göttern weile. Herakles und Zeuss und die vielen anderen schauten einst von ihrem Thron hinunter auf die Erde, auf die Menschleins, die in ihrem Tun dahin wuselten. Könige wollten wie Götter sein und bauten sich einen Thron neben ihnen. Sie ließen es gewähren, waren sie doch den Menschen wohl gesonnen. Doch in ihrer Habgier wollten die Menschen mehr und stürzten sie. Kopflos schauen sie heute in die Welt, ihre steinerne Götterkörper leblos, in ihrer einstigen Erhabenheit erstarrt. Leere Augen blicken aus den versteinerten Köpfen. Was haben wir Menschleins nur angerichtet und richten immer wieder weiter an?
Wollen wir wirklich Gott spielen und ihm ins Handwerk fuschen? Meinen wir wirklich wir könnten diese Vielfalt der Natur, dieses immense Zusammenspiel der Kräfte verbessern? Wann werden wir als Menschleins unsere Begrenztheit begrüßen? Wann geben wir diesen Göttern, dieser unendlichen Naturkraft ihren angestammten Platz wieder zurück und nehmen in Ehrfurcht unseren eigenen ein, den der uns zusteht, den, auf dem wir zuhause sind. Gedanken auf meinem Plateau hier hoch oben.
Auch gestern stand ich weit oben und schaute hinunter. Die Sonne schien und verzauberte die Flußwindungen. Bis zum Mittag war Sonnenschein angesagt, also hoch hinauf in die Berge zu den Göttern. Viele Stufen führen hinauf und ein guter Weg drumherum. Ich habe Glück, die große Gruppe geht anders rum und ich habe die Statuen und die Welt für mich. Sonne und schwarze Wolken begegnen sich am Horizont und bevor es regnet bin ich wieder zurück. Eindrucksvoll!!
Wo schlafen, frage ich mich. Auf der anderen Seite soll es einen schönen Platz geben, aber auf der anderen Seite sind auch die Wolken dunkelschwarz und noch schwärzer. Ich halte Ausschau nach Abseitswegen und finde diesen hier. Das Gebrumme am unteren Platz ist sehr viel weniger und ihm Schutz von Baum und Berg bin ich dem Gewitter nicht so ausgesetzt. In der Nacht höre ich es gar nicht.
Und hier oben lassen eigene Musikklänge das Gebrumme in den Hintergrund rücken. Kein Menschlein weit und breit, kein Ort von dem man mich aus sehen könnte. Ich schau zwar hinunter, aber von unten sieht man nicht, was hier oben ist. Wolken wabern umeinander und ein neuer Tag beginnt