oder ein kleiner Küstensteig dem Meer entlang
27.6.
Zwischen verwitterten Steinriesen, einem schattenspendenden Baum mit Blick auf das jetzt so ruhige Meer wache ich auf. Grillen säbeln ihr Morgengeplapper und der eine oder andere Vogel zwitschert dazwischen. Wind, du dürftest ruhig noch ein bißchen mehr wehen, damit die Wärme des Morgens sich gleichmäßiger verteilt. Weit ab von der Zivilisation hat Brummeli seinen Platz an der Piste zum Wanderweg gefunden. Am Horizont gleiten große Containerschiffe langsam vorbei.
Ach ist das schön hier auch wenn mich in der Morgendämmerung ein paar Mücken plagen (selber schuld, wenn ich meine Mückenabwehrmaschine, sprich Stecker mit Plättchen, nicht einschalte, dann juckts und kratzts halt!) Und so sitze ich längst wieder draußen und nehm die Stille, die Natur wahr, die einfach so ist, wie sie ist.
Ein tiefes Zuhausegefühl stellt sich ein – ja hier abseits bin ich daheim. Seelchen schwingt sich auf in geistige Höhen, oder sollte ich sagen Höhenflüge und Körperchen geht schwimmen. Ich mittendrin! Schon ein so ganz spezielles Leben, das ich hier führe.
Gestern war Wandertag! Viel Wasser und eine kleine Brotzeit bevölkern meinen Rucksack und los gehts. Ich kenne den Weg vom letzten Jahr. Doch diesmal kann ich die fast drei Kilometer lange Piste mit Brummeli absolvieren. Braver Brumm, das du so herrlich hier entlang rumpeltst.
So wie meine Falten im Gesicht mehr geworden sind, Zeichnungen des Lebens, so ist auch Brummeli gezeichnet – Pisten, Sträucher und Bäume gezeichnet. Warum soll ich mich darüber ärgern, wenn mir meine eigenen Falten nix ausmachen. Vielleicht sind es ja nicht nur Zeichnungen, sondern Auszeichnungen seines intensiven Pistenlebens. Nicht umsonst heißt er Pistenkrabbler. Ein guter Gedanke!!!!
Auf kleinem schmalen Trampelpfad geht es der Küste entlang zur kleinen Eremitage ganz am Ende des Felsrückens. Auf und ab in heißer Sonne. Der Wind ist wie ein Fächer und so ist die Hitze erträglich. Kein Mensch ist hier im Sommer unterwegs. Der Weg schlängelt sich, windet sich eng am Felsen um die Kurve um dann wieder hinauf zu steigen bis zum Eingangstor. Oben am Felsen gucken zwei Bergziegen neugierig wer wohl daher kommt. Die „neue“ Eremitage ist heute verschlossen. Im Sommer kommt kein Mensch hier vorbei. Weiß strahlen die Glocken in den blauen Himmel über das tiefdunkle Meer. Noch ein paar hundert Meter weiter auf verwittertem Steig, über eine schmale Treppe hinunter zur alten Eremitage. Die grüne Glocke lädt zum Spielen ein, ein Blick ins Allerheiligste und gemütlich wird auf den Steinen Brotzeit gemacht.
Ja die Mönche haben sich wohl immer wieder die tollsten und unwegsamsten Plätze für ihre Eremitagen ausgesucht. Der Weg steinig und schwer, dafür das Dasein luftig und einfach. Wasser aus der Zisterne und keine Ablenkung von irgendwas. Haben sie erkannt, das Religion nur so etwas wie ein Vehikel sein kann, das es gilt abzustreifen, weil es am Ende hinderlich ist? Leben in seiner puren Existenz braucht keine Religion, braucht keinen Priester, der den Weg erklärt. Leben will einfach nur gelebt und in seiner tiefinnerlichen Essenz erfahren werden. Dann bleiben keine Fragen zurück, sondern nur offenes Staunen.
Worte rücken in den Hintergrund angesichts der Farben, die den Raum erfüllen. Gefühle werden unwichtig und der Raum verliert sich selbst am Horizont. Selbst Liebe wird im gewissen Sinne bedeutungslos angesichts des unfassbaren Raumes, der als solcher nicht mehr erkennbar ist. Auch ich habe keine wirklichen Worte, denn die, die ich versuche zu finden, beschreiben nicht das was ist. Es sind ja immer nur Momentaufnahmen, der Hauch eines Atemzuges der ahnen läßt.
Eremitagen faszinieren mich und ich geh in tiefe Resonanz mit den Menschleins, die sich hier auch ihrer Innerlichkeit stellten. Vielleicht ist mein Brummeli eine Art Eremitage, die ich immer dorthin stelle, wo ich in die Tiefen abtauchen kann, ungestört vom Gewusel der Alltagswelt, die mich schon bezeiten immer wieder einholt.
Jemand sagte mal zu mir, du könntest auch in Canada in einer Holzhütte nur mit Bären und Lachsen leben und dem Rhythmus der Natur folgen. Mein Nomadenleben ist wohl bereichert worden durch mein Eremitendasein.
Und so endet der Tag mit einem Schwimmerli in einer verwegenen Bucht und lieben Telefonaten. Die Welt draußen dreht sich in ihrem Irrsinn weiter und bei mir bleibt sie für den Hauch eines Atems stehen und läßt mich staunen.
Steinriesen bewachen meinen Schlaf.