Guten Morgen, ihr alle da irgendwo und gleich neben an, guten Morgen aus Breslau
19.8.
So uingewöhnlich für mich, da stehe ich auf einem Campingplatz in Breslau und ergattere einen schönen Platz: zur einen Seite das Fußballfeld, zur anderen ein paar Bäume und dann die Womos. Brav stehen wir in Reih und Glied, aber immer noch mit ein bißerl Abstand. Die Hauptsaison ist ziemlich vorbei und so wirds ruhiger, sonst steht man hier sehr gedrängt. doch die Trambahn in die Stadt ist nicht weit, gerade gegenüber vom Eingang.
Erst um 15 Uhr trudele ich ein, denn der Verkehr rund um Breslau ist wie in jeder anderen Großstadt, laut, stinkend und langsam.
Aber ich fang mal von vorne an:
Mein kleiner See-und Heueierplatz war wunderschön und am Morgen weckt mich ein Gewitter, das den See in wunderbare Farben taucht. Es wird angenehm frisch.
Auf nach Polen und mein Navi führt mich über kleinste Strässchen, abseits der LKW Routen über weite Kornfelder, durch enge waldige Passagen und dann schnörkelig einen Höhenzug hinauf und hinunter. An der Grenze ist nix, auch keine Wechselstube, fast wie die grüne Grenze.
Aber sofort fallen mir die schöneren Häuser auf, sie sind, auch wenn alt, gepflegter, schön angemalt und wieder hergerichtet. War es in Tschechien irgendwie etwas schmuddeliger, im Sinne von “ ist ja egal“ kümmern sich die Polen vielleicht mehr um ihr Hab und Gut. So jedenfalls mein erster Eindruck.
Auf der großen Achter-Straße fahre ich mit vielen anderen bis Breslau oder Wroclaw. Mein schlaues Womobuch hat mir dieses Camp empfohlen. Zwischendurch halte ich an einem großen Einkaufszentrum, außerhalb. Ich fühle mich fast wie in Portugal und Spanien. Carrefour, Eclerce, Merrylin Le Roy sind hier vertreten.
Sorgsam absperren und dann1. Bankomat für Zloty, das polnische Geld mit Kurs ca. 4.3, dann 2. eine polnische Simkarte kaufen ( auch wenn meine deutsche funktioniert, habe ich immer gerne noch eine zweite ist ja schließlich mein Draht zur Welt, zu euch dfa draußen) und 3. Briefumschläge kaufen für meinen Brief. Den anderen Einkauf spare ich mir, ich will ja noch in die Innenstadt von Breslau.
Ich mach gar nicht lange rum am Camp, sondern geh gleich zur Tram. Ein netter Amerikaner, der in Thailand lebt und eine europäische Greencard hat erklärt mir wie ich die Fahrkarte löse. Ohne Kreditkarte geht nix. Also einfach dran halten und das wars, vorher natürlich auswählen welchen Preis man bezahlt. Es ist billig, 3.40 Zloty eine Fahrt so 80 Cent.
Und da rattere ich durch Breslau und natürlich denke ich an meine Mama, die hier aufgewachsen ist, in einem dieser gutbürgerlichen Häuser, behütet mit einer strengen Mama, die nur dann liebte, wenn ihre Regeln befolgt wurden. Darunter hat meine Mutter ihr ganzes Leben zu knabbern gehabt. Ihr Vater, mein Opa war an der Universität und das Leben war in Ordnung bis der Krieg kam. Zerstörung, Haß, Unverstand und Angst, viel, viel Angst. Jäh wurde sie aus ihrem Dasein gerissen, in die Flucht getrieben, alleine bis sie ihre Schwester fand. Der Bruder starb im Krieg.
Wie ein Vogel, der aus dem Nest gefallen ist, mußte sie ihren Weg mühsam finden, wie so viele andere auch. Jeder mit seiner Geschichte, dem Drama seines Erlebens. Daneben das unendliche Leid der Juden, irgendwie spürbar hier. Ich bin in einem kleinen Garten an einer Kirche und werde angesprochen, ob ich Israeli sei. Der Mann ist mir aber unsympathisch, ich glaube ein kleiner Besoffki und so ziehe ich von dannen, eigentlich hätte ich mich da noch mehr umsehen wollen.
So wandere ich durch Breslau, nachdem ich an der Touri-Info eine Karte gekriegt habe und in der Post meinen Brief aufgegeben.
Dieses Rathaus – ach irgendwie sieht es aus wie eine Puppenstube. Zu den vielen Verzierungen und Türmchen ist es doch recht klein und vielleicht macht es die Proportion so putzig.
Ja, und ich verstehe, dass sich meine Großeltern dann sehr viel später in Göttingen niederließen, wo ich studierte. Die Häuser dort haben ein bißchen Flair von Breslau. Spannend. Viele bunte Herrschaftshäuser, die alte Uni und neben dem Prunk auch ein paar normale Stadtbauten.
Ich lass mich treiben durch die Strassen bis mir die Knochen vom Asphalt-gehen weh tun. Überall tauchen diese kleinen Zwerge auf, sitzen in einer Ecke unter einem Stein. Waren es nur mal ein paar, vermehren sie sich jetzt und werden immer mehr. Das paßt zu dem Rathaus, finde ich.
Um halbacht fahre ich zurück, zu müde um noch irgendwas zu tun. Also sichte ich alles erst heute morgen. Es war ein interessantes Eintauchen in die Stadt und gäbe sicherlich noch viel mehr zu sehen, Museen, Kirchen etc., aber mich ziehts hinaus in die Natur, in kleinere Orte ans Wasser usw.
Camp am Olympischen Park und die Tram 33