oder am Ende der Welt von Lakonien
7.6.
Bin ich in einer schönen Gegend! Auf meinem Stühlchen mit Blick in die Weite und auf die Insel Kythira, entschließe ich mich noch ein paar Meter weiter zu fahren zu meinem „Spezialplatz“ an dem es mir gestern noch zu windig war. Zackige Felsen links von mir, Elephantos vor mir und davor das ruhig vor sich hinplätschernde Meer. Ein paar Schiffe, die große weiße Fähre nach Kreta??? und Containerschiffe kommen vorbei. Der Wind hat aufgehört und im Schatten von Brummeli finden die Eindrücke von gestern eine Buchstabenform. Ich liebe es so weit weg draußen zu sein mit Natur pur – ein paar zwitschernden Vögeln, dem Meeresgesang und einer Fliege die vorbeisummt. In so einer Szenerie bin ich zuhause.
Und gestern, was war denn da?
Von meinem Kiesstrand fahre ich schnurstracks hinunter zum Geopark, zu den versteinerten Bäumen. Erst begegne ich fast kullernden Felsen, die weit verstreut auf flachem Land liegen. Schief und krumm parke ich Brummeli. Kreisrunde Öffnungen, Felsen, die wie Bäume ausschauen und dazu türkisblaues Meer. Eine tolle Szenerie. Ich habe aber mehr vor und will die ganze Küste bis zum alten Kloster Agios Georgios laufen. Knabberzeug, Äpfel und Wasser im Rucksack.
Erst auf „guter“ Straße und dann hinein in die Felsen auf und ab. Eng schmiegt sich der Kraxelsteig an die Felsen, tief geht es rechts neben mir hinunter. Da wo man denkt es geht nicht weiter, kann doch nicht mehr weiter gehen, öffnet sich hinter der Ecke der kleine rote Pfad. Hinunter zum Meer und dann wieder hainauf.
Vorbei am kleinen Kapellchen und nochmal um die Ecke. Dann taucht sie auf. Erst das neue Gebäude und die neue Kirche. Platz für Pilger. Ich rede mit der netten Griechin, die hier wohnt. Wasser und Essen wird per Fischerboot gebracht und eine kleine Seilwinde zieht die Lasten nach oben. Früher ging es nur mit Esel. Ein besonderer Platz hier an der Ecke von Lakonien. Noch fünf Minunten weiter erzählt sie mir, dann komme ich zu der alten Klause.
Es ist beeindruckend. Ich spiele ein bißchen mit den Fingern auf der Glocke und lausche den verklingenden Tönen. Ein wunderbarer stiller Platz. Hier haben sich die Mönche versenkt, sind weit weit in ihrem Geist gewandert, um das Wesentliche zu finden. Unabgelenkt vom Getriebe der Welt haben sie sich ihren Praktiken hingegeben, so stelle ich es mir vor.
Haben sie gefunden und wenn ja, was? Was gibt es denn zu finden hier draußen in der Stille, nur mit den Rhythmen der Natur? Was gibt es zu finden, wenn die Herbst- und Winterstürme über die Halbinsel jagen, die Gischt bis hoch hinauf trägt und der kleine Wanderpfad unpassierbar wird? Was gibt es zu finden in der lautlosen Hitze der sengenden Sonne, die die Felsen zum Backofen werden läßt?
Mit diesen Gedanken sitze ich da und lausche selber. Geht es einfach nur um die Natur, die echte und wirkliche Natürlichkeit und nicht der menschengemachte Zirkus? Was ist denn wirklich lebenswert in unseren Leben? Das Künstliche, das Aufgesetzte, Brot und Spiele, die Gier nach mehr, die Suche nach Glück? Was ist Glück wirklich?
Ist Glück nicht letztlich ein kostbarer Moment, der entsteht, nur um wieder zu vergehen. Glück läßt sich nicht machen, nicht planen, nicht organisieren und nicht festhalten. Glück ist der Hauch eines Momentes in dem wir in unsere schlichte Natürlichkeit eintauchen.
Meinen ganzen Blog habe ich vor einiger Zeit als eine Hommage an die Natur beschrieben. Und das fällt mir hier an einem Ende der Welt ein. Nichts machen, nichts werden, nichts sein müssen, sondern einfach nur sein. Geht das auch im normalen Alltagsgetriebe, wenn Job und Familie, Sport und Freizeit einen auf Trab halten und gemanagt werden wollen?
Die Frage nach der Priorität oder die Frage nach dem Wesentlichen kann sich nur jeder selber beantworten und in unserer verrückten Welt ist diese Frage, glaube ich, wichtiger denn je. Geht es um neue Konzepte und Ideen oder geht es noch um etwas ganz anderes? Was ist wenn die große Leere anklopft? Wenn alle Vorstellungen und Ideen, alle Ziele sich als menschengemacht herausstellen und letztlich auch nur eine Idee sind?
Hier in Griechenland bin ich mit den Göttern konfrontiert, die letztlich die gleichen Probleme wie wir Menschen hatten. Da ging es um Leidenschaft und Eifersucht, um Gier, Gewalt und Herrschaft. Sie waren auch nicht besser und haben sich im Getriebe der Welt und ihrer Unsterblichkeit aufgerieben. Auch sie waren nicht frei von persönlichen Vorlieben und Abneigungen. Auch sie haben noch entschieden, was gut oder nicht gut ist.
Buddha hat sich am Ende seines Weges einfach nur unter den Baum gesetzt, mehr nicht.
Hatte er erkannt, das alles Suchen und Streben, alle Hoffnung und Vorstellungen, alle Ideen und Ziele letztlich am Wesentlichen vorbeiführen?
So, als ob sie es umkreisen, aber nie ankommen können. Wenn das Suchen auffhört, weil die Suche selbst als Fatamogana erkannt wird, was bleibt dann?
Mit diesen Eindrücken wandere ich zurück. Noch ein Schwimmerli in der Kiesbucht, bevor die Sonne sich hinter dem Hügel verabschiedet.
Wunderschönes, tiegründiges Lakonien.