und Aufwachen am Stausee Fes el Bali
10.11.
Morgens um sieben, wenn der Hahn kräht, der Himmel sich rotgold verfärbt und die Vögel guten Morgen sagen, ja morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung. Ich wache auf an diesem tollen See Fes el Bali, ein riesengroßer See und fast am Ende der Piste ist auch ein Platzerl für Brummeli. Das Schilf leuchtet in der Sonne und die Bergspitzen ragen zackig empor. Ich gucke zu beiden Seiten – Ost und West. Die Stille hier ist einmalig, keine Autos kein Gewusel. Ja weiter vorne gibt es noch die Piste, die näher ans Wasser führt. Dort haben sich ein paar Fischer versammelt und auch ein Van seinen Platz gefunden. Ich könnte wieder ins Träumen und Schwärmen kommen, angesichts der Idylle hier.
Sowieso fühlt sich Marokko wieder so vertraut an. Eine Welt, die mir innerlich näher steht, also unsere hochziviliserte Technokratische. Kinder spielen mit Murmeln auf der Straße und Jungens kicken den Fußball hin und her und Mädchen kommen kichernd und lachend aus der Schule mit so manchen Unsinn im Kopf. Es wird gewunken und geschrien, wenn ich langsam vorbei rolle und relativ nah ans Auto gesprungen. Ich halte meine Hand raus – ein kleiner Abschlag mit der schokoladenbraunen kleinen Hand. Sie freuen sich diebisch, aber betteln nicht. Fast kein Geschrei nach Dirhams oder Stylos. Ich bin allerdings auch noch hoch im Norden.
Trotzdem sind die Tage schon ein wenig länger. Das Licht taucht um sieben hinter dem Horizont auf und verschwindet auch erst um diese Zeit 12 Stunden später. Goldgelben verabschiedet sich die Sonne im Westen und gibt den Startschuß für kleinste Minimückchen, die nicht stechen, aber in Massen durch die Moskitofenster schlüpfen. Mein Himmel ist schwarz-weiß gepunktet. Giftkeule raus und später mit Spüliwasser sauber gemacht. Arme kleine Fliegen, euer Leben war ein kurzes. Mein Mitgefühl hält sich aber ehrlich gesagt in Grenzen.
Und wo kam ich her? Eine Stadt mußte doch mal sein. Also wandere ich durch die blaue Medina von Chefchaouen. Finde weiter unten einen guten Parkplatz. Der Wächter kriegt 10 Dirhams (1 Euro) und ich steige über viele Stufen in die Altstadt hinauf. Erst die Kashba, der Blick vom portugiesischen Turm und dann in die engen bunten Gassen. Ein wunderschönes buntes Treiben und ich kann umeinander wandern ohne gleich angesprochen, aufgefordert oder mit looki-looki begrüßt zu werden. So entspannt durch eine Medina schlendern ist schon einmalig. Brauchen tue ich nix und nach drei Stunden kehre ich nur mit leckerem frischen Fladenbrot ( 1 Dirham, gleich 10 Cent) das Stück und einer Inwi-Simkarte zurück. Tief unten im Südosten funktioniert Inwi manchmal besser als Maroc Telekom.
Erst die N13 und dann weiter auf der R 145 geht es Richtung Stausee, quer durch die Berge. Die Straße ist rumpelig mit tiefen Schlaglöchern und teilweise nur mit 20 befahrbar. Ich komme durch typisch kleine Dörfer mit ihren Läden und dem ganzen Krimskrams. Jongliere vorbei an parkenden Autos mitten auf der Straße und zwischen den kleinen Gemüsehäufchen. Dazwischen natürlich auch mal viel Dreck und die typischen Plastiksäckchen, die sich in den Sträuchern verfangen. Marokko eben. Die Menschen sind freundlich und so viele Kinderaugen strahlen. Das fällt mir richtig auf.
Sie sind (noch) nicht übersättigt von dem Zuviel, das so oft in einer tiefen Unzufriedenheit endet.
Die Welt hier tickt, so kommt es mir vor, noch ein bißchen langsamer und ist noch ein bißchen näher dran an einer Natürlichkeit. Ja sie haben hier auch ihre Smartphones, aber noch schauen sie sich gegenseitig an, ratschen miteinander anstatt sich nur Nachrichten zu schicken. Felder werden gepflügt und wer keinen Traktor hat, macht es mit dem Esel.