In den verbrannten Alentejo-Bergen bei Sauwetter und Sonnenschein

oder drei Tage intensives Aufräumen


19.-22.10.

Guten Morgen du liebe Welt da draußen! Dich gibt es doch auch noch! Tief eingesogen hat mich das schwarze aschegraue Land und das verletzte Haus, dessen Narben weit sichtbar sind. Maurer haben die Risse in der Wand verspachtelt und irgendwann wird neue Farbe Licht ins Dunkel bringen.

Tiefschwarze Wolken wabern immer noch über dunkle Erde, dazwischen scheint die Sonne. Aus den Korkeichen sprießen erste Triebe und kleine grüne Büsche verbreiten die Botschaft: Wir – wir die Natur und das Leben kommen wieder. Phönix aus der Asche oder neues Leben aus verbrannter Erde. Geduld ist angesagt und der weite Blick hinter die dunklen Wolken, die sich mit dem Meer vereinen. Wasser zu Wasser.

 

 

 

 

 

Brummeli hat sich am Freitag im Garten beim Haus eine relativ windgeschützte Ecke gesucht. Hier kann der Sturm toben, ohne das ich zu sehr wackele. Und praktisch ist es auch, wenn ich irgendwas aus Brummeli brauche. Und bei dem Regenwetter werde ich nicht allzu nass.

Und so wird mit Arbeitskleidung und der dritten Tasse Kaffe im Haus gewerkelt. Jeder der mal umgezogen ist, kennt es: Kisten packen, beschriften und sich wundern, was aus den Ecken alles hervorkommt. Ich habe es ja gut, ich muß nicht sortieren, aussortieren, entscheiden was bleibt oder nicht, sondern muß nur in Kisten und Taschen stecken, die beim Großputz gut hin und her geschoben werden können.
Den nächsten Schritt machen andere.

 

Dreieinhalb Tage intensives Werkeln. Im strömenden Regen Taschen ins untere Studio schleppen und dann in einer kurzen Sonnenscheinzeit Brotzeit auf der Schaukel machen. Am Ende stehen Kisten brav aufgebaut in der Mitte von dem einst so schönen Wohnzimmer. Die Regale im Wintergarten sind bis zum Rand gefüllt. Im Atelier hängen die Klamotten zum Lüften. Der Brandgeruch braucht lange, bis er verfliegt.  (Die Bilder davon waren doch zu persönlich, so habe ich sie rausgenommen)

All die Papiere und beschriebenen Blätter mit wichtigen Gedanken, die man nicht mehr vergessen will, wandern in blaue Ikeataschen und flacken nun auf dem großen Studiobett herum. Ich decke sie noch mit einer warmen Wolldecke zu, damit sie nicht frieren müssen. Ich erinnere mich an ein so breites verhohlenes Lächeln meiner Mutter, wenn wir von der Schule nach Hause kamen.  Der Schock beim aufmachen der Zimmertür. Immer wenn unsere Unordnung ihr in den Schubladen und Schränken zuviel war, nahm sie alles und kippte es aufs Bett.  Schöne Bescherung! Wir mußten aufräumen, ob wir wollten oder nicht.

Und jetzt hier komme ich mir fast auch ein bißchen so vor: Nun müssen mein Schwesterlein und ihr Mann alles in die Hand nehmen. Fluch oder Segen? Ich glaube, das es für sie mehr Segen ist, denn schon lange wollten sie immer wieder mal ausmisten und jetzt ist ein erster Schritt getan.

 

 

 

 

 

Und ich – ein schöner langer Morgen heute. Langsam ziehe ich meine Energie wieder aus dem Haus heraus und beginne mich, um mein Eigenes zu kümmern. Tief innen bin ich sooooooo froh, dass ich kein festes Steinhaus mehr habe, nicht gebunden bin an einen Ort, der nur ruft, mach mich, schneid mich, kümmer dich um mich usw. Meine Ungebundenheit, mein so freies Nomadenleben läßt mein Herz tanzen. In tiefster Seele bin ich ein freier Mensch, nur mir selbst verpflichtet. Bist du denn nicht einsam, höre ich gleich so viele fragen. Nein, ich bin nicht einsam. Ganz im Gegenteil.

Draußen im Irgendwo, weit weg von allem und in der Mitte von mir selbst, da bin ich zuhause.

Da erlebe ich ein tiefes Ankommen. Ich muß nix mehr tun, verändern, an mir arbeiten usw. – einfach nur da sein. Dann wird jedes Wort zu einem, das eigentlich zuviel ist. Vorbereitung auf die Wüste!

 

Jemand erzählte mal von seiner Motoradreise durch die Sahara in den Achtzigern: Es gibt dort einen Ort, der so still ist, das man noch nicht mal sein eigenes Wort hört. Man hört nur das Rauschen des eigenen Blutes, aber draußen ist es absolut still.

Spannend – schade das es in Algerien ist, sonst würde Brummeli sich gleich auf den Weg dahin machen. Morgengeblubber!
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