Mein kleines Womoleben während der großen Corona-Krise

oder tingeln von hier nach dort bis ich dann endgültig bei meiner Schwester lande

28.3.

Ja, mein kleines Womoleben in dieser großen Corona-Krise rückt ein wenig in den Hintergrund und es passiert auch nicht so viel, oder?
Nach dem sonnigen Tag an Praia Grande, wo ich mich aufgrund der News sicher fühle, fahre ich trotzdem hinauf zu meiner Schwester. Wir haben uns verabredet und ich lande im Sandloch von Vale. Was heißt denn das, frage ich mich kurz? Gar nichts, kommt die lapidare Antwort, nur dass du ein wenig schaufeln sollst.

Ich fahre nnämlich zu meinem Platz an der großen Pinie: „wenn ich jetzt noch ein Stück zurückfahre, könnte ich besser rausschauen und vielleicht sogar das Meer sehen“, denke ich übermütig. Langsam und vorsichtig rollt Brummeli über ein paar Hubel, „geht doch“, denke ich mir und dann …. shit, das linke Hinterrad rutscht in ein Sandloch. Da habe ich nicht gut genug geguckt. Wer nicht gucken will, muß fühlen. Brummeli-Bauch, gib mir Schaufel, Auffahrhilfen und Sandbleche. Letztere sind zu weit unten, vielleicht krieg ich es ohne. Also freischaufeln – es ist ein richtiges Loch, aber mit meinen Auffahrhilfen kann ich es soweit ausfüllen, dass Brummeli es schafft. Ich glaube, ich brauche nur eine dreiviertel Stunde und dann stehe ich wieder auf festem Grund. Ist halt doch ein toller Pistenkrabbler.

 

 

 

 

Unten ein großes Hallo. Auf Krisengespräch haben wir keine Lust – viel wichtiger ist es sich zu entspannen, zu lachen und zu schauen, was der nächste Schritt ist. Ich würde eigentich gerne an meinem Platz in Praia Grande sein. Da kann ich mit dem Radl einkaufen und schön rumlaufen, vor allem habe ich einen ebenen Platz. Hier in den Hügeln vom Alentejo ist das mit dem flachen Platz etwas schwieriger. Und so entscheide ich mich, am nächsten Tag wieder zurück zu fahren. So weit sind wir ja nicht auseinander.

Gesagt getan, ich wundere mich das meine beiden deutschen Nachbarn nicht mehr da sind. Hhhmm???? Ein belgisches Paar steht dort und ich frage sie, natürlich Abstand einhaltend, ob es irgendwelche Neuigkeiten seitens der Polizeit gibt. „ich rede nicht über die Krankheit“ giftet sie mich gleich an, und versteht nicht, oder will nicht verstehen, was ich frage. Okeiiiiiiii, „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag“, und gehe. Später sehe ich sie umeinander wandern. Sie sind neugierig, wo ich stehe.

Es ist ruhig, ein paar Autos höre ich noch und schlafe gut. Morgens in der Sonne sitze ich draußen. Da kommt die Giftzwergin und kreischt: „Warum verstecken sie sich, wo schütten sie ihre Toilette aus, ich kenne sie doch alle“, kein Fragen, nur Unterstellung. „Ich habe ein Ökoklo, eine Trenntoilette“, sage ich. „Können sie nicht lauter reden, ich verstehe es nicht“. „Nein“, und mit erhobenen Zeigefinger antworte ich mit einem energischen Stopp. „Sie unterstellen mir“, werde aber von ihr unterbrochen … ihre Kassette ist doch voll und wo schütten sie die hin, kreischt sie weiter. Vernünftig reden kann man mit ihr nicht. „Auf Wiedersehen“ und ich widme mich meinen Blog und lass sie stehen. Wahrscheinlich hat sie nur furchtbare Angst.

Später erzählt mir eine Sparziergängerin, dass alle Womos auf den Parkplatz müssen und dann nur noch eine Stunde am Tag rausdürfen und sie werden alle mit Nummerschild registriert. Sie weiß es von Womofahrern, die sich flugs ein Appartement gemietet haben. Jetzt wird mir klar, warum die anderen weg sind. Auch wenn ich das nicht nachprüfen kann, wird es mir zu unsicher. In Nullkommanix sind meine Siebensachen im Womo und ich rolle davon. Weit vorne wird der Parkplatz gerade abgesperrt, ob ich hätte alleine bleiben können, weiß ich nicht. Polizei sehe ich nicht. Aber ich will so schnell wie möglich ins Alentejo. Eingesperrt werden, oh nein, ich will doch in kein Lager. Gestern fühlte sich alles noch easy und gut an. Ohne zu halten, oder fast rolle ich ins Alentejo. Einkaufen kann ich später.

In Lagos wird an der Einfahrt von der Polizei kontrolliert: Shit, wäre ich doch besser Autobahn gefahren. Aber ich wollte nicht auf der Autobahn durch die Maut registriert werden. Aber wir werden nicht registriert, sondern nur gefragt: „Wo wollen sie hin“, nach Sao Teotonio, zu meiner Schwester. „Das dürfen sie nicht“ „I stay there,“ sage ich „Fahren sie auf den schnellsten Weg dort hin“, antwortet er und winkt mich weiter. Nochmal gut gegangen. Ich darf jetzt in keine Stadt mehr fahren. Verstecken und unsichtbar machen, sind meine Gedanken. Im ‚Alentejo fühlt es sich leichter an, normal wenig Autos. Dann vielleicht doch Cabo Sardao, auf meinem, mit dem Radl erforschten Platz, denke ich in meinem Unabhängigkeitsstreben. Pustekuchen, auch hier ist alles abgesperrt. Nun hat die Strenge der Ausgangsbeschränkung auch Portugal erreicht.

 

 

 

 

Hätte ich meine Schwester nicht gehabt, wäre ich ins Hinterland auf kleinen und Kleinststraßen gefahren und hätte versucht einen Platz zu finden, abseits von allem. Vor allem wäre ich nicht zu den bekannten Plätzen an den Stauseen gerollt. Ich tue doch eigentlich nix Böses. Ganz im Gegenteil „Social distancing“ist im Womoleben fast mein Lebensstil. In meiner Bewegungsfreiheit so eingeschränkt zu werden, fällt mir sehr schwer. Bleiben sie zuhause, ist der Slogan. Ich bin ja zuhause, bloß dieses Zuhause möchte ich an einem guten Platz wissen.

Gut, dass ich vor Tagen noch in einem Baumarkt, Spaten, Säge und Baumschere gekauft habe. Nach Absprache mit meiner Schwesterl richte ich mir den alten Pinienplatz her. Ein kleiner Baum wird gefällt, die Wildschweinlöcher ausgefüllt, ein paar Äste abgezwickt . Dann kann ich nach hinten zum alten Pininenplatz rollen, stehe sogar eben. Die kleinen kratzigen Sträucher haben ihre Spuren auf meinen Beinen hinterlassen, aber hier kann ich erstmal sicher bleiben, ohne eingesperrt zu werden. Spannend, was sich da in meinem Innenleben tut. Ein bißchen fühle ich mich, wie auf der Flucht und habe Angst vor Internierungslager – so viel von meinem Kopfkino.

Unten bei meiner Schwester gibt es erstmal Galao und wir versuchen uns alle zu entspannen und diese Angstgefühle wieder gehen zu lassen. Sie sind selber hochgefordert, haben viel zu tun und so bin ich bald wieder im Brummeli und lass mit einem Glaserl Wein bzw. zwei den Abend ausklingen. Was ist das für eine Zeit – eine Corana-Krise, die Angst macht, Angst, die Menschen sonst in Kriegszeiten bei Verfolgung hatten.

 

Haben wir Krieg, einen Krieg gegen den Virus. Ich habe keine Angst vor dem Virus, weil ja bestätigt wird, dass er in den meisten, allermeisten Fällen problemlos verläuft. Ich habe Angst das unsere Grundrechte noch mehr ausgehebelt werden und unsere Demokratie und unser Grundgesetz mit der Angst vor der Verbreitung der Krankheit ausgehebelt wird. Auf was steuern wir hier zu in dieser Krise zu? Und ich habe Angst, mich nicht mehr frei als Nomade bewegen zu können. Spannend, aufregend. Und was ist die beste Medizin dafür … still werden, hinschauen, atmen …und dann was ganz anderes zu tun und wieder hinschauen, genau hinschauen und noch genauer hinschauen, ohne in den doofen Gefühlen hängen zu bleiben.

Wir werden sehen!