Blauer Himmel über Stutthof

oder Kriegsgrauen im KZ und weiter zur russischen Grenze

11.9.

Ich bin in Polen und ich komme diesen Erinnerungen an Krieg und Verbrechen nicht aus, es begegnet mir immer wieder. Etwas beklommen betrete ich dieses Gelände, das in der Sonne so friedlich und harmlos erscheint. Von den Baracken stehen noch einige, in denen das Leben, sofern man es überhaupt Leben nennen kann, beschrieben ist.

 

 

 

 

Es riecht nach alten Holz, Hunger, Auszehrung, entsetzlicher Qual, Folter und Leid, das man nur erahnen kann.
Die Skulpuren eines Künstlers zeigen es eindrucksvoll, genauso wie Zeichnungen und alte Fotos.

 

 

 

 

Man wird still hier. Die Fragen warum, wieso, weshalb sind schon so oft gestellt, die Antworten, das darf nie wieder passieren, so oft gegeben. Und,- wo findet Gewalt und Agression, hemmungsloses Ausagieren der eigenen Gefühle, grenzensloses Schlagen und Treten heute noch statt.

 

 

 

 

Wo gibt es diesen ausufernden Zorn in uns selbst, auch wenn er sich nicht so brutal ausdrückt? Wie gehen wir selbst, jeder einzelene, mit unserer Frustration und Enttäuschung um? Wem geben wir die Schuld? Sind es die anderen, die Bösen da irgendwo? Die, die nicht so sind, wie wir es haben wollen?

Für mich ist eine Antwort auf dieses unsagbare Grauen, tief in mir nachzuschauen, hinzuschauen wo meine Dämonen lauern, um sie kennenzulernen. Sie zu entlarven und damit ihnen die Macht über mich zu entziehen. So bin ich nicht willensloser Handlanger meiner Gefühle und verstehe tief, dass wir alle Menschen sind und das wir alle einfach nur glücklich sein wollen.

Und wirkliches Glück kann nie auf Kosten anderen gehen. Und ich fühle, währnd ich das schreibe, eine tiefe Dankbarkeit, dass ich durch mein Leben auf so vieles Wichtige gestoßen worden bin. Und wieder denke ich an den Tibeter, der aus chinesicher Haft entkommen war und seine größte Angst war, sein Mitgefühl zu verlieren.

Doch nun zu dem anderen Teil des Tages:

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Sonne scheint und ich mache erstmal eine kleine Wanderung, die im undurchdringlichen Busch endet. Nix mit schönem Blick auf die Mündung der Weichsel. Na gut, dann halt weiter auf diese Sichel bis zur russischen Grenze. Ich komme an Fischerhäfen vorbei, schönen Kirchen und lande mal wieder irgendwo im Abseits.

 

 

 

 

Einfach mal rechts abbiegen und schauen, wo es dahin geht. Es geht zu Bauernhöfen mit Blick auf Weidelandschaft. Aus der Holperpiste wird Feldweg, der enger wird und noch enger wird. Na, da fahre ich lieber nicht weiter. Das sieht nach privaten Farmland aus und vielen neuen Kratzern.

Bei noch einer Abbiegung entdecke ich einen potentiellen Übernachtungsplatz, der sich aber später doof anfühlt. Leere Bierdosen stehen rum und schwarze Bremsspuren auf dem Weg. Dazu stehe ich ziemlich krumm und in den Sand will ich nicht hinenfahren.

 

 

 

 

Der große Parkplatz am Ende Piaski ist zwar ok, aber ich logge mich immer ins russische Netz ein und weil ich noch paar Emails erledigen will, geht das nicht. Mit dem Radl erforsche ich aber die Grenze, ein Schlagbaum, ein Jeep und ein Zaun bis hinunter zum Meer.
Hier endet Europa für eine kleines Stückchen.

 

 

 

 

Ich statte dem Meer noch einen Besuch ab, bevor ich Richtung zurück fahre und dann doch wieder an meinem Fährenplatz lande. Pünktlich zum Sonnenuntergang stehe ich gut und gerade. Der Allradjeep beendet sein Sandkastenspiel und ich habe die Welt für mich, bis sich morgens um 6 ein normales Auto im Sand eingräbt. Doch dazu morgen!