Wandern in den Schluchten von Karijini Nationalpark
16.9.
Die Sonne geht über den Bergen auf und scheint auf meinen „Hochsitz“. Ich guck von hier oben in die Weite, die so unscheinbar ausschaut, aber viele Risse hat. Da unten in den „Rissen, der Erde“ sind die Schluchten, tief eingeschnitten, eng und spannend.
Ich bin auf dem Camp Dales. Neben mir ein paar mitteljunge Deutsche, die ein Jahr durch die Welt tingeln. Abends sitzen wir zusammen mit einem anderen Aussiepaar aus Melbourne, er Gittarrenspieler. Leider fängt er erst viel zu spät zu spielen an und ich höre das Singen nur noch in meinem Bettchen.
In der Früh ratsche ich ganz lange mit Maggi und Gordon. Sie, mit weißen Shirt und roten Lippen, er Cowboyhut und Khakishorts. Sie cruisen auch durchs Land und kommen gerade von Fitzroy Crossing. Dort haben sie drei Monate gearbeitet. Er auf einer Farm und sie im Laden. Und sie malen mir ein ganz anderes Bild von den Aborigines.
Sie haben so ein ganz anderes Wertesystem, sagen sie. Geld sagt ihnen nichts, Sie benützen es jetzt zwar, aber fühlen nicht die Bedeutung. In ihrem Leben ist es so, wenn jemand kommt und etwas von ihnen haben will, ist es selbstverständlich zu geben, selbst wenn es das letzte ist, was sie selber haben. Besitz ist ihnen unwichtig. Sie haben keinen Bezug dazu. Der Umgang untereinander ist rauh, sehr rauh und da draußen irgendwo im Land, leben sie nach wie vor von der Jagd. Sie kommen in die Stadt, um eimzukaufen. Das Geld, was sie vom Staat bekommen ist in den Läden als Credit hinterlegt. Sie wissen nicht wieviel 100 Dollar sind und was dieser Wert in der heutigen Welt bedeutet. Also sammeln sie alles mögliche zusammen und Maggi mußte sie oft fragen, was brauchst du am meisten und aussortieren, wenn ein Stapel Klamotten auf ihrem Ladentisch lag.
Ein Wort für Danke, kennen sie nicht. Teilen ist so selbstverständlich, dass man kein Danke sagt. Wenn das eigene Geld aufgebraucht war, wird das Geld der anderen genommen. Ein großer Pool, aus dem alle Familienmitglieder schöpfen.Und so sehen sie das Geld der Regierung, das von den Steuern der Weißen kommt auch als selbstverständliches Teilen und ihr gutes Recht.
Nochmal wird deutlich, das sie als Steinzeitmenschen plötzlich in diese neue Welt katapultiert wurden. Und es sind jetzt meistens die Frauen, die langsam anfangen, Veränderungen zu integrieren. Die jungen Männer bleiben auf der Strecke, sehen keinen Lebenssinn und die Suicidrate ist sehr, sehr hoch. Der Sprung aus der alten in diese neue weiße Welt ist einfach zu groß, die Wertesysteme zu unterschiedlich.
Alkohol und Drogen sind ein riesiges Problem. Es werden viele Alkohlolkinder geboren, Großeltern und Eltern tranken. Und so bleibt die Intelligenz auf der Strecke. So wenig, wie ich mir vorstellen kann, selbstverständlich alles zu teilen, so wenig ist für sie uinser Leben vorstellbar.
Der Umgang untereinander ist hart und rauh und letztlich, glaube ich, hat früher auch nur der Härteste überlebt. Ein einzelnes Menschenleben war nicht so wertvoll, nur die Gruppe als Ganzes machte Sinn. Und einer mehr oder weniger in der Sippe spielte keine Rolle. Unvorstellbar für uns.
Ich bin so froh um dieses Gespräch, weil es mir die tiefe Andersartigkeit aufzeigt.
Heute gehts dann weiter in die Karajini Schluchten. In Dales niste ich mich ein und fahre weiter zu Joffre, Hancocks und Weano Gorges. Ich wandere immer so weit hinunter, wie es gefahrlos möglich ist. Über Felsplatten, angelegte Steinwege,durch plätschernde Wasserfälle, über Felsbrocken und einer großen Leiter stehe ich dann irgendwann ganz unten am Handrail Pool. Zum Schwimmen ist es zu spät, denn ich muß noch 50km über Piste zurück rumpeln. Ganz klein fühlt man sich so tief in der Erde und es ist spannend in diesen alten Erdspalten umeinander zu wandern.
Ursprünglich Meeresboden auf dem sich rotes und weißes Silicium zusammengeballt hat, dazu oxidierten Eisen. Die Erdbewegung der Kontinentalplatten hat das Wasser rausgedrückt und die Steine aufgeschichtet. Vertikale Risse entstanden, und das Wasser suchte sich seinen Weg, während das trockene Land entstand. Faszinierende alte, uralte Welt. Von oben so unscheinbar und tief unten dramatische Schluchten.
Kurz nach Sonnenuntergang bin ich wieder „zuhause“ und dann folgt ein Ratschabend mit den anderen.Ein paar Reisegeschichten, ein bißchen romatisches Aborigineleben und viel über Musik, Pubs und Nachtclubs. Da kann ich nicht mitreden. Um neun verabschiede ich mich und sortier im Bettchen noch Bilder während Gitarrenklänge zu mir rüberhuschen.