Der Coronavirus rückt näher

oder wie fange ich an auf den Coronavirus und die Pandemie zu reagieren…

10.-18.März 20    (eine kurze Chronologie )

 

 

10.-12.März

Ich hatte nicht wirklich Lust noch länger in Marokko zu bleiben und bin zwei Tage früher auf der Fähre nach Algeciras, die pünktlich ablegt. Nur kurzes Fiebermessen und eineinhalb Stunden später bin ich wieder in Europa.

 

 

 

 

Rumbummeln bei Gibraltar auf einem schönen freien Platz. Einkaufen und Wäsche waschen in Tarifa und zurück zu meinem Gibraltarplatz. Erste Informationen über den Virus, den ich noch nicht so tragisch sehe. Meine Infos sind dürftig, aber sie reichen mir. Eine Bekannte fährt in drei Tagen zurück nach Deutschland. Ich erfahre, dass es in Malaga, Marbella und Fuengirola Fälle gibt. Na gut, dann umfahre ich das Gebiet halt weitläufig, denke ich mir ganz entspannt. Ich ahne noch nicht die Explosion des Geschehens. Anfang April will ich zurück in Deutschland sein, meine anderen Reisevorbereitungen rufen, also fahre ich morgen weiter bis Herradura, plane ich, und umfahre die Costa de Sol.

13.März:

Die Nachrichten rollen herein, fast wie ein Tsunami. Wo bin ich am besten aufgehoben? Natürlich in meinem Brumm und natürlich irgendwo draußen am Meer bei Sonne und Wind auf einsamen oder fast einsamen Plätzen. Da haben die Viren wenig Chance oder sind erst gar nicht da. Die Nachrichten schwappen heute zu mir herein – jeder erzählt etwas anderes und in dem Ganzen, muß ich mir meine eigene Meinung bilden. Was ist sinnvoll?

 

 

 

 

Spanien ruft morgen den Notstand aus und d.h. das eventuell auch die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird. Katalonien ist schon Notstandsgebiet und die Welle schwappt weiter. Weil Herradura mit Womos voll besetzt ist, fahre ich hinauf auf den Berg und mein Kopf rattert. Ich telefoniere mit meiner Schwester im Alentejo in Portugal. Komm doch, sagt sie. Ich hatte den Gedanken schon vorher, aber noch nicht zu Ende gedacht.
Alle Fürs und Widers werden angeschaut und am Ende und das Ende ist tief in der Nacht, lasse ich all meine Pläne, vor allem Reisepläne, los. Die neue Zeit hat angefangen und ich entscheide mich für Portugal.

14.März

Per whatsapp erzählt mir eine Bekannte, daß die Portugalgrenzen zu wären. Woher weißt du das, simse ich zurück. Von einem Paar, das in Marokko festhängt und die sehr verlässliche Informationen haben. Ich geh erstmal in einem unscheinbaren Ort, in Almuncear, einkaufen. Eine kleine Schlange, aber ich bekomme alles, was ich brauche. 450 Kilometer fahren und eventuell nicht hereinkommen? Mal wieder habe ich ein Sicherheitsnetz. Meine Schwester schickt mir einen portugiesischen Text mit dem Inhalt, dass sie meine Schwester ist und ich bei ihr wohne.

 

 

 

 

Ohne Punkt und Komma rolle ich die 450 km zur Grenze. Nur ein paar wenige Autos sind unterwegs. Tanken darf ich nur mit Handschuh und bezahlt wird an der Nachtkasse. Schon in Marokko hatte ich mir in einem Carrefour Einmalhandschuhe und Desinfektionstücher gekauft. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie wirklich brauche. Die Autobahn um Sevilla herum ist leer. Es fühlt sich ein wenig gespenstisch an, so als würde ich in die Welle schwimmen. Viele Womos fahren zurück und ich einsam auf meiner Spur. Da kommt man schon ins Nachdenken, so gegen den Mainstream zu fahren.

Das letztlich der Mainstream in die Welle fährt, ist mir noch nicht so ganz bewuß, obwohl ich sage: jetzt in das Epizentrum von Corona zu fahren, ist eigentlich unsinnig. Aber jeder sucht seine Sicherheit, seinen geborgenen Hafen und der ist halt doch mit der eigenen Wohung und dem eigenen Land verbunden. Bei mir auch, denn mein Zuhause ist das Womo, da wo ich es hinstelle.

Das große Epizentrum der Corona-Welle ist eher im Norden, in der Mitte Europas und nicht hier an seinemn Rand. Nicht ich fahre in das Auge des Zyklons, sondern die Rückkehrer, so fühlt es sich für mich an. Ich komme zur Grenze . Auf der ganzen Fahrt stelle ich mir vor, wie ich selbstverständlich in Tavira auf meinen Platz rolle. Und dann ist ganz einfach. Ein Polizeiwagen steht irgendwo in der Ecke und nimmt keine Notiz. Ich ziehe mir mit meiner Kreditkarte die Autobahnmautkarte, fahre zu Gran Plaza und kaufe mir meine Internetkarte und stehe selbstverständlich in Tavira. Sechs andere Womos stehen auch dort. Jiippijei ich habe es geschafft. Ich bin in Portugal.

15.März

Mit meiner Schwester, die noch grad viel zu tun hat, verabrede ich mich in 3 Tagen. Das Wetter ist schön, der Wind moderat und so bleibe ich zwei Nächte in Ingrina, den Surferstrand, ergattere einen Platz, weit ab vom Pulk, von diesem Hippie-und Surfervolk, die einmal am Tag eng bei mir mit den Surfbrettern vorbeikommen. Ich verschwinde dann im Womo, denn auf engen Kontakt habe ich keine Lust. Mein Ohr wird mittlerweile ganz heiß vom vielen Telefonieren – alle Meinungen rauf und runter, so unterschiedliche Stimmen: „du mußt aber jetzt sofort zurückkommen“, ist eine, „das machst du aber gut“, sind andere. Diesen Corona-Zeiten, in denen wir tiefste Individualität leben und gleichzeitig die Vernetzung übers Internet mit anderen erfahren, finde ich spannend. Es dauert, bis ich alle wichtigen Menschleins erreicht habe.

 

Angst ist noch ein vorherrschendes Thema und der Umgang mit den von außen gesetzten Grenzen. Natürlich habe ich gut reden in meiner kleinen Luxusvilla, die da gerade am Strand steht. Trotzdem, auch ich muß alles erstmal loslassen, was ich mir so vorgenommen hatte, meine Pläne, wahrscheinlich auch Australien. Und was mich am meisten verwundert ist, wie einfach das geht. Es war diese Entscheidung nach Portugal zu fahren, nicht wissend wann ich zurückkomme. Es gibt mir ein ganz neues Gefühl von Freiheit. Ich überlasse mich einfach dem Fluss, wo immer er mich hinführt. Es wird Veränderung geben, viel Veränderung, vielleicht auch schmerzhafte mit finanziellen Einbußen, aufgeben von lieb gewordenen Gewohnheiten und Bequemlichkeiten. Das wird sich zeigen. Flexibilität ist jetzt gefragt.

16.März

Die Nachrichten schwappen weiter herein. Portugal schließt auch seine Grenzen und ich wandere über die Klippen, lass mir vom Wind die Haare zerzausen. Die Sonne scheint und im Windschatten lese ich im Internet und versuche mir selber ein Bild zu machen. Innerhalb Europas sollen die Transitwege für die Rückreiser offen bleiben. Von den Zweien, die Spanien geblieben sind, höre ich, daß sie auf dem Camp bleiben können. Sie sind zwar nur noch zu acht, aber dürfen bleiben, ohne Sparziergänge zum Strand. Von Marokko aus ist es momentan fast unmöglich. zurück zu kommen. Viele Womos tummeln sich hier und ich bin froh um meinen Platz. Abseits vom Pulk stehe ich alleine.

17. März

Ich fahre weiter ins Alentejo zu meinem Storchenfelsen. Kein einziges Womo ist hier, nur ein paar Sparziergänger. Ich stehe an meinem Platz, an dem ich schon öfters gestanden bin. Laufe eine Runde und lese Nachrichten, lausche den Hochrechnungen, spüre die Befürchtungen und höre die Ängste. Ich für mich, fühle mich sicher. Habe ich doch schon in Marokko oft ein Einsiedlerleben geführt. Ausser kurzen Einkäufen habe ich keinen physischen Kontakt und fühle mich in meiner Eremitenhöhle pudelwohl. Wenn mich keiner wegschickt, kann ich es gut aushalten und lebe so wie in Quarantäne oder anders ausgedrückt, erweiter noch mein Retreat. Ich bleibe zuhause, denn mein Womo ist mein Zuhause.

 

Später surfe ich im Internet herum und finde das Video von Wodarg. Erstmal leuchtet es mir ein, …. wird die Sache, dann doch nicht so schlimm? Ich erzähle Freunden davon und ernte harsche Kritik – naja, du hast ja gut reden, weit weg von hier und es hagelt noch ein wenig mehr von den angstmachenden Reiserückrufen etc. Jetzt heißt es gut bei mir selbst bleiben und immer wieder auf meine eigene innere Stimme horchen und mich nicht verrückt machen zu lassen von allen Unkenrufen. Die ganzen Vorsichtsmaßnahmen dienen der Abflachung der Infektionskurve. (Neugierig bin ich schon, was am Ende rauskommt.)

18.März

Ich bummele rum, telefonier nach wie vor viel und bin dann am späten Mittag oben bei meiner Schwester im Alentejo. Der Platz neben dem Baum ist noch nicht ideal für mich zum länger stehen. Später finden wir etwas anderes, dazu müssen aber erst paar dicke Äste von einem Baum geschnitten werden. Dann könnte ich mich auf eine Art Plattform stellen. Eine Baumsäge habe ich mit und könnte es nötigenfalls auch selber machen.

 

Viel reden wir natürlich über Corona, natürlich über wirtschaftliche Einschränkungen etc. Statt Meditation steht Technik an, das Internet soll funktioniern. Wir kriegen es hin. Es ist so gut für mich zu wissen, einen Ankerplatz zu haben, wenn hier Ausgangssperre verhängt würde. Sonst müßte ich mir einen sehr versteckten Platz im Landesinnern vom Alentejo suchen. Das ginge garantiert auch, aber so ist es bequemer. Die beiden haben gerade viel zu tun und so verabschiede ich mich schon am nächsten Tag nach einem langen ausgiebigen Sonntagsfrühstück.