und weiter bis hinter Varna
10.-12.6.
Nur 23 Kilometer weiter gibt es noch so ein gutes Plätzchen. Zwischen leichten luftigen Grashalmen lausche ich dem Geplätscher der Wellen und mein kleiner Sonnenschirm gibt mir genügend Schatten. Die Sonne blinzelt schon früh in mein Fenster herein und ich lasse mir einfach nur Zeit. Mit dem obligatorischen Kaffee spüre ich den guten Gedanken von gestern abend nach: immer Dienstags mit Judith. Es ist als ob wir uns am Gerüst der Astrologie entlang hangeln, um unsere tieferen Seinsschichten zu erforschen, zu entdecken und zu staunen, was da so alles zum Vorschein kommt. Höchst spannend und höchst erfüllend.
Vor allem in dieser so heftigen Zeit ist es wichtig einen guten Anker in sich selbst zu haben. Das läßt dann die ganzen Verwirrungen besser aushalten, diesen ganzen Unsinn und ideologischen Schwachsinn, die Umkehrung der Werte. Die Spaltung der Gesellschaft wird so vorangetrieben,- da die bösen Rechten und da die guten Anderen. Sind wir in der Gesellschaft wirklich so gespalten, wie es uns die Medien erzählen? Die Mehrheit von uns möchte doch keinen Krieg, die Mehrheit von uns möchte Diplomatie, Gespräch und Frieden. Und vor allem will die Mehrheit nicht, das sich die Politik in unser privates Leben einmischt und uns als „Schützlinge“ betrachtet, die man erziehen muß. (Wobei die sog. Erzieher von dem normalen Leben keine Ahnung haben!) Mehr und mehr von uns spüren, das hier etwas grundlegend schief läuft. Gut so.
Wo komme ich denn hier ins Wasser, mein profaner Gedanke. Erst den kleinen Trampelpfad entlang und überall geguckt. Da unten bei den Felsen und irgendwie an ihnen vorbei, da ist doch ein kleiner Kiesstrand und da könnte ich doch toll schwimmen, meine ich.
Ich kraxel über die Steine, hangel mich den Felsen entlang. Hier ist es gut aber,- es gibt so eine Art Krautbarriere im Wasser, die rötlich herauf schimmert. Ich schau an verschiedenen Stellen, finde aber keinen Weg durchs Kraut, nur eine kleine kühle „Badewanne“. Irgendeine Quelle blubbert , deshalb das viele Grün an den Steinen. Statt schwimmen plantschen im angenehmen kühlen Nass. Vielleicht sind deshalb so wenige bis überhaupt keine hier.
Und weil die Luft immer schwüler und heißer wird, die Fliegen jegliche Beißhemmung verlieren und auch kleine Mücken sich an mir zu schaffen machen, wird es Zeit weiter zu gondeln. Da nützt mir Sonnenschirm oder meine Markise auch nix mehr. Mückenzeit. Die Siedlungen werden mehr, die großen Orte auch, Tourihochburgen mit allem Tamtam zieren rechts und links die Straße. Und weil in Bulgarien schon die Ferien begonnen haben ist relativ viel los. (Aber nicht so hektisch und laut wie in der Türkei). Diesel kostet jetzt umgerechnet ca. 1.33, aber das Obst- und Gemüseangebot ist besser. Was mir jetzt schon seit einiger Zeit auffällt ist: es gibt keinen Lauch, nur die Lauchzwiebeln. In der Türkei war das Gemüse oft oll,also eher verschrumpelt, vertrocknet oder schon angematscht. Selbst am Stand nicht immer wirklich frisch. Mein Eindruck: die Türkei ist kein Gemüseland.
Hinter Varna habe ich einen schönen Platz im Hinterkopf. Den zieren jetzt allerdings viele rauschende Rotorblätter namens Windrad. Ach schade, es war ein toller Platz vor Kaliakra, dieser Felsnase die weit ins Wasser rausragt. Ich rumpel noch alle möglichen Pisten ab. Zu nah bei den Windrädern oder zu doof an einem „Loch“ in dem man so vieles hineinschmeißen kann.
Also zurück durch Balagreva und hier auf den Platz am Feldrand, den ich mal als mittelprächtig bezeichnet habe. Brummeli fährt paar Meter durchs hohe Gras und Stühlchen steht im Kraut hoch oben. Es ist nicht mehr ganz so schwül und das Gesumms läßt mich in Ruhe.
Erste dunkle Wolken wabern übers Schwarze Meer. Später kommen noch ein paar wenige blitzende Zickzacklichter hinzu und ein paar donnernde Regentropfen verirren sich aufs Womodach. Vögel zwitschern und eine freche Elster lugt zum Dachfenster herein. Nein, an meiner Antenne darfst du nicht picken, ermahne ich sie und klopfe aufs Dach. Schnell ist sie wieder weg.
Dafür landet Wetterfrosch mit einem riesigen Platsch vor mir auf der Bettdecke. Guck mal, rollt er mit den Augen und wedelt mit seinen roten Patschpfoten. Guck mal! Iiiih, ein fetter Gewitterstreifen zieht ab heute abend über mich hinweg. Also muß ich mir einen etwas geschützten Platz suchen, nicht oben alleine auf der Klippe. Keine weite Fahrerei, sondern Platzsuche an einem Strand mit Bäumen und Wegen, die nicht im Schlamm versinken könnten. Ich habe da schon was im Visier.
Rumbummeln, nochmal rumbummeln, Faulenzen, tolle Gedanken denken, doofe Gedanken an die Seite schieben, Fliegen vertreiben, telefonieren und einfach in die Weite über das große schwarze Meer schauen, das blau schimmert und sich mit dem Horizont vereint.