oder die Betonreste der Bunkeranlage
18.9.
Darf man Überreste der Gewaltherrschaft fotografieren? Darf man ästhetische Fotos von einem Ort machen, an dem Macht und Gewalt, Grauen und entsetzliches Leiden befohlen wurde?
Vielleicht kann ich nur so, aus dem Blickwinkel der Ästhetik, über dieses Gelände wandern. Das hält den Schmerz der vielen, vielen Tausenden ein bißchen auf Abstand. Es ist ein Ort der Angst, der Macht und des grenzenlosen Wahns einer Sippe von Männern, mit Hitler im Zentrum, die meinten, sie wären die Besseren und sie hätten das Recht über lebenswert und nicht lebenswert zu entscheiden. Sie hätten das Recht über Völker zu bestimmen und ihnen ihre Selbstbestimmtheit zu nehmenm. Sie hätten das Recht sich alles zu nehmen, was sie wollen, ohne Rücksicht auf Verluste, im wahrsten Sinne des Wortes.
Tief mußten sie sich verbarrikadieren, mehrfach gesicherte Stahlbetonwände um sich herum. Wem konnte man wirklich vertrauen und wer zog weitere Fäden im Hintergrund?
Ein Bormann, ein Himmler, ein Göring und wie sie alle heißen. Stenographen wurden aus Berlin hierhin beordert, um alles mitzuschreiben, was gesagt wurde, streng bewacht vom Sicherheitsdienst.
Mir erscheint dieser Ort wie ein riesiges Gefängnis, eingemauert, mehrfach gesichert, leider nicht vor sich selbst und ihren Wahnvorstellungen. Im stillen Kämmerlein, in der Dunkelheit eines Bunkers verliert man die Realität, verliert man den Bezug zu den Menschen. Fast wie im Dark Net heutzutage können alle Grausamkeiten erdacht werden, um von anderen ausgeführt zu werden. Die Schreie der Verzweifelten, den Schmerz der Verwundeten, die Todesangst der Marschierenden brauchte ein Hitler und seine Truppe nicht zu erleben, da tief drinne in ihrem Bunker, mehrfach gesichert. Sie gaben ja „nur“ die Befehle und andere mußten sie ausführen. Andere mordeten sinnlos für sie, brandschatzten, vergewaltigten und hinterließen diie blutige Spur von Gewalt und Angst. Und wenn sie es nicht taten, wurden sie selbst hingerichtet. Befahlsverweigerung in der Truppe war ein Todesurteil.
Ich frage mich innerlich, was muß passieren, das jegliche Menschlichkeit, jegliches Mitfühlen aussetzt und man nur noch in diesem Blutrausch gefangen ist. Und ioh glaube, das ist meine Meinung, das es Angst ist, tiefe, tiefe Angst, der man versucht entweder mirt Gewalt und Macht Herr zu werden oder durch Gehorsam und Anpassung zu bändigen.
Und in der Tiefe ist es Existenzangst. Die einen hauen drauf, die anderen laufen weg und die dritten versuchen sich zu ducken. Man hinterfragte nicht, oder nur wenig. Wenn es ums Überleben geht, hat man dazu auch keine Zeit.
Ich bin schon früh mit Psychologie und der Selbstreflexion in Kontakt gekommen bin. So kann ich immer wieder überprüfen, was die tiefe Motivation meiner Handlungen ist. Und dann kann ich mich bewußt entscheiden. Ob man sich voll bewußt für Krieg, Macht und Zerstörung entscheiden kann, für das Leid, das man verursacht? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann mir aber wohl vorstellen, daß man sich aus Angst duckt. Existenzangst, die Angst vor Gewalt, ist mächtig, sehr mächtig und folgt eigenen Strategien. Wieviel Mut hat es bedeutet trotz der Gefahren im Widerstand zu sein, zu helfen, irgendwie ein Schlupfloch der Menschlichkeit zu finden. Ich habe so viel Hochachtung für all diese Menschen, die ihr Leben riskierten, um anderen beizustehen.
Und so wandere ich sehr nachdenklich durch das Gelände, die Sonne taucht die moosbewachsenen Überreste der Bunker in geheimnisvolles Licht. Wüßte man nicht, welche Gebäude es waren, würde man fasziniert sein von der Schönheit der Natur, die sich den Platz langsam wieder erobert.
Eine alte preussische Landsmannschaft hat ein so ein typisches Holzhäuschen aufgebaut. Die Trupps, die nicht direkt vorne an der Front waren, also z.B. Nachrichtentrupps, bauten sich solche Häuschen in ihren Unterständen in Rußland. Und aus Erzählungen weiß ich, wie sie durch Tauschhandel mit den Russen, so einigermaßen überleben konnten und sogar Weihnachten feierten. Meine Mutter sagte mal, dass sie als Kind dachte, wenn Krieg ist, ist es imnmer dunkel draußen. Und sie war erstaunt, das das Leben auch im Krieg weiter ging.
Für mich, die ich den Krieg nicht erlebt habe, fast unvorstellbar.
Der Rundgang durch die Überreste der Bunkeranlage beginnt mit einer Würdigung von Carl Schenk von Stauffenberg, dessen Attentat mißlang und einem Mahnmal für all die Soldaten, die das Gelände von Minen befreiten. Und es endet mit der beeindruckenden Darstellung des Warschauer Aufstands, der mit brutalster Gewalt niedergemetzelt wurde. Kein Stein blieb auf dem anderen, Menschen wurden als lebende Schutzschilder benützt, um Warschau dem Erdboden gleich zu machen. Der Befehl war, keine Gefangenen, sondern nur Mord und Totschlag und sinnlose Zerstörung.
Im Krieg setzt jede Menschlichkeit aus, gibt es keinerlei Kontrollen mehr über die inneren Dämonen, die sich austoben, grenzenlos und unsagbares Leid verursachen.
Alles was man tut, fällt irgendwann auf einen selbst zurück.Und wenn man das in der Tiefe versteht, braucht es keinen Altruismus mehr, weil wir dann Mitgefühl leben und uns selbst damit einen Gefallen tun,.Eigentlich ganz einfach!
Das Wetter ist nach wie vor windig und kalt und die Wolken, die Dunklen. flitzen, mal mit Regen, dann wieder ohne.
Ich fahre auf meinen Traumplatz zurück. Brauche heute die Geborgenheit eines geschützten Naturplatzes. Und die habe ich hier, auch wenn Brummeli sich von den Ästen nochmal streicheln lassen muß. Ich bin alleine und stell mich windgeschützt hin. Der Abend klingt aus mit einem langen Telefonat.
Und in der Früh weckt mich ein Sonnenstrahl es ist zwar noch windig, soll aber besser werden.