Nicht weit weg – der See Orzysc

oder langes Schreiben und ein Platz am hintersten Ende

 

23.9.

Guten Morgen du Welt da draußen, du Sonne- gerade gehst du über dem See auf und wärmst ein bißerl mein Brummeli. Nachts ist es jetzt kühl, nur so drei vier Grad, tagsüber dann wieder bei Sonne schön warm.

Es ist interessant. Heute morgen wache ich mit dem Gefühl auf, so jetzt ist genug Polen. Ich habe mich eingelassen auf dieses Land, habe wunderschöne Seen und Flüsse erlebt, habe die Menschen gespürt und dazu unterschwellig viel, viel vom Krieg, von der Zerstörung und dem sinnlosen Haß. Die Sucht nach Alkohol wird genährt durch die vielen Alko-Shops und ein Bier zu trinken gehört zum guten Ton. Oft gibt es das Bier fast kostenlos zum Essen dazu. Das habe ich an den Restaurants gelesen.
Die Menschen selber sind freundlich, zugewandt, aber bleiben auch irgendwie gefühlt fremd, bis auf die eine Frau in Westpommern. Ob das nur an der Sprache liegt, kann ich nicht beurteilen. Die Landschaft ist schön, aber wirklich faszinieren tut sie mich nicht. Endlose Wälder, die Seen, der Fluß alles immer wieder ein bißchen ähnlich.
Die roten Backsteinbauten, Kirchen ohne Ende kleine Häuschen am Wegesrand und überall die Marienverehrung.

 

 

 

 

Ich habe die wunderschönsten Naturplätze hier, das ist gigantisch und jeden genieße ich auf seine eigene Weise. Um diese Jahreszeit ist es  so einfach hier irgendwo zu stehen. Ich kann mit Brummeli auf Abseitspisten unterwegs sein, was ich liebe, aber jetzt ruft mich der Süden.  Ursprünglich wollte ich ja gar nicht so lange im Norden unterwegs sein.

 

 

 

 

 

Doch zurück zu gestern: Eine ausgiebig lange schöne heiße Dusche erwartet mich am Morgen bevor ich zu meinem Blogschreibeplatz bei Nowy Most fahre. Vorher noch ein gemütliohres Telefonat. Dann stehe ich in der Sonne und kann den Tag Revue passsieren lassen. So viele Bilder, welche wähle ich aus? Heute brauche ich mehr Zeit und so ist es mittags, bevor ich meinen neuen Platz suche.

 

 

 

 

Und der Zufall will es, dass ich ein Stückerl auf Feldwegen der Krutjnia entlang fahre. Von oben schaut sie so anders aus, als wie von unten, vom Wasser. Ein spannender Perspektivwechsel. Unten fühlt man sich fast wie auf dem Amazonas und oben ist es ein Flüsschen, eingebettet zwischen den kleinen Orten, Feldern, Wiesen und Waldern. Oben das ganz normale Leben und unten geheimnisvolle Ecken und Nischen. Oben die Begrenztheit der Alltagswelt und unten fast endlose Weite. Auf unser Leben übersetzt – die normale Alltagswelt da oben und tief innen, die geheimnisvollen Ecken und Nischen, die erforscht sein wollen und dem Leben Weite geben, ein Hauch von Unendlichkeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die russisch-orthodoxen Kirche in Woijonovo, ein Augenschmankerl. Weil ich einfach auf einen Feldweg abgebogen bin, komme ich direkt dran vorbei. Leider ist sie zu, da hätte ich noch gerne reingeschaut.
Es sind nur 50km weiter bis zu meinem nächsten Seen und einem offiziellen Rastplatz vom Staatsforst Polen. Im Sommer stehen hier die Dauercamper, jetzt ist kein Menschlein mehr hier und ich such mir meinen Platz mit der meisten Sonne.

Nochmal lange am Telefon, bevor ich mich in mein warmes Kuschelbett verziehe und die Sonne mich in der Früh weckt.