Ein Wasserfall, ein Baum und die große anatolische Weite

oder im Zickzackkurs durch die Berge

 

29.4.

Im Dunst vor mir der „Berg Meru“, der heilige Berg, so schaut es jedenfalls von hier oben aus. Wolken wabern unten umeinander, ab und an erwischt mich ein Sonnenstrahl. Und da unten in der Ebene erhebt sich dieser Kegel. Meine Phantasie hat wieder Hochkonjunktur. Da bin ich selber fast auf zweitausend Meter Höhe und schaue ins Tal. Hinter mir gehts aber noch höher. Für ein paar Momente macht der Regen Kaffeepause und überläßt dem Wind das Treiben der Wolken. Die Sonne lugt ein bißchen hervor. Ich stehe am Kraterrand, ein Platz, den ich vorgestern im Augenwinkel gesehen hatte und der ruft. Komm doch rauf zu mir, flüstert es ins Ohr.

 

 

 

 

 

Keine schlechte Idee. Der Himmel ist nämlich noch blau und die Sonne scheint. Später gen Abend verdunkelt er sich und fette Gewitterwolken flitzen über mich hinweg. Da stehe ich aber schon. Nur eine Stunde munkelt Wetterfrosch. Und so ist es auch – erstmal. Um Mitternacht kommen dann die Regengeister zurück, putzen meine Solarkollektoren, Wetterleuchten in der Ferne und fette Böen. Die Regenfront, die erst morgen kommen sollte, ist schon da. Ich schlafe nicht ganz so gut.

Das ist auch Womoleben. Wenn man der Natur so nahe ist, muß man Wind und Wetter aushalten und sein Womo durch stürmische Zeiten jonglieren. Immer wieder die selben Gedanken. Stehe ich gut genug? Hält Brummeli die Böen aus? Bleibt das viele Wasser draußen? Soll ich mitten in der Nacht woanders hinfahren? Und morgens wenn es wieder hell ist und der Spuk vorbei, – war da was? Auch das ist Womo-Alltag.

 

 

 

 

 

Und gestern:
Nur ein paar Kilometer weiter von meinem Flußplatz gibt es den Wasserfall Göksu Selalesi. Auf einem Holzbohlenweg vom allerfeinsten gehts zu der Gischt und den feinen Tröpfchen des herabfallenden Wassers. Von der Hängebrücke überschaue ich das ganze Arreal. Der Bohlenweg führt mitten hinein in das Rauschen und Tosen, in das Gelb und Grün, dasTürkis und Blau des Wassers. Augenschmaus pur.

Ich laß mir Zeit, atme die Lebendigkeit, die Ursprünglichkeit, die herrlichen Farben und genieße diesen wirklich schön gemachten Weg. Was für ein Augenschmaus!

 

 

 

 

Das Wasser findet seinen Weg, umfließt Hindernisse, läßt sich fallen, um brodelnd unten zwischen den Steinen weiter zu fließen. Feine Tröpfchen fliegen umeinander, lassen sich auf den Blättern nieder, nur um auch von dort wieder hinunter zu rutschen. Nix bleibt für ewig, alles ist im Fluß. Und bewacht wird es von dem grimmig guckenden Steingeist.

 

 

 

 

 

Mein Weg führt durch schönste, allerschönste anatolische Berglandschaft. Ich bin auf einem Ministräßchen unterwegs und die Ausblicke sind einfach nur toll. Langsam rolle ich rauf und runter und laß mir viel Zeit.

 

 

 

 

 

Ein uralter Baum will noch bewundert werden. Eine gute Piste führt hinauf. Im Schatten von ihm können Menschen ihren Gedanken nachhängen, ihre Wünsche weit in den Horizont schicken und ganz einfach ein Picknick genießen. Der Baum schaut nur zu. Er kennt ihr Treiben. So viele hat er kommen und gehen gesehen. Ihre Wünsche und Hoffnungen, ihre Sorgen und Ängste tauchen immer wieder nur in einem neuen Gewand auf. Weiß er mehr von der Wirklichkeit? Fast kommt es mir so vor. Seine alten knorrigen Äste und seine weit ausladene Krone zeugen von so viel Leben. Weiß er um das Geheimnis unseres Menschseins?

 

 

 

 

 

Im Zickzackkurs kurve ich durch diese Landschaft. Genauso hatte ich es mir zu Beginn vorgestellt. Ich laß mich treiben und schau wohin der Wind mich weht. Mal sehen welcher Spur ich da folge.