Die Brücke von Europa nach Asien

oder Gelibolu und ein Lost Place an der Landzunge

4.4.

Ich bin in Asien – dem türkischen Asien. Zwei Fähren und eine große Brücke verbinden die Kontinente. Bei den Fähren warten die Laster auf der schmalen Straße in einer langen Schlange. Die Brücke spannt sich weit über diese Meeresenge. Blauer Himmel und die vielen silbrig schimmernden Seile, die die Brücke halten. Langsam rolle ich hinüber. 370 Lira, ungefähr 13 Euro kostet sie. Brummeli zwinkert mit seinen großen Augen – jetzt bin ich schon auf meinem dritten Kontinent. Europa – Afrika – Asien.

 

 

 

 

 

Und heute morgen blinzelt die Sonne zum Fenster herein und vertreibt die Morgenkühle. Die ersten Schiffe fahren schon Richtung Istanbul und dann vielleicht weiter ins Schwarze Meer. Die Anderen hinaus in die weite, weite Welt. Tuuut, tuut manche verabschieden sich oder begrüßen das Land. Ich stehe etwas oberhalb an einem lost Place aus dem ersten Weltkrieg mit freiem Blick nahe Kumkale. Zu dritt sind wir hier oben. Kurz nach meiner Ankunft kommen die beiden anderen. Jeder findet seine Nische. Bewacht werden wir von alten Kanonen, die weit übers Meer hinausblinken.

 

 

 

 

Aber noch mehr bewacht werden wir von Herrn Hund. Ich serviere ihm sein Abendessen in Form einer Thunfischdose. Ein Bellen klingt laut in die Nacht hinein. Was sieht und hört er? Bellt er oder ist es ein anderer? Er lag so still und ruhig vor meinem Stühlchen. Irgendwann vermischt sich das Bellen mit meinen Träumen und ich bin mal wieder in anderen Landen unterwegs. Die haben dann nix mehr mit der Realität zu tun. Spiegeln sie doch nur etwas aus meinem tieferen Innenleben.

 

 

 

 

 

Zurück zu gestern.

Erster Halt ist Gelibolu, der Fährhafen. Eine große Lastwagenschlange ziert die kleine Straße. Ich fahre an ihr vorbei und suche mir einen Parkplatz. Nicht ganz einfach in diesem engen Ort. Aber ich werde fündig. Bei der Vakif-Bank will ich Geld holen und diesmal klappt auch eine größere Summe. Im Hafen wuselt es und die Einkaufsmeile ist schon gut besucht, der Fischmarkt vorbei. Hätte ich keine E-Sim könnte ich auch hier in einem Turkcell-Laden die Touristensimkarte kaufen. Wie teuer sie ist weiß ich nicht. In der Türkei ist es so, so lese ich, dass die Geschäfte ihre eigenen Preise machen können. Ich laß die ersten Eindrücke auf mich wirken und wandere im großen Bogen wieder zurück. Jetzt habe ich alles was ich brauche und entscheide mich, die Brücke zu fahren und weiter bis zur Landspitze, da wo einst im ersten Weltkrieg die Kanonenkugeln donnerten.

 

 

 

 

 

Von einer lieben Freundinn erfahre ich das eine gemeinsame frühere Freundinn von uns schwer erkrankt ist und nur noch im betreuten Wohnen leben kann. Was für ein Schicksal, auch für ihren Lebensgefährten, der viel älter war als sie und nun doch alleine zurecht kommen muß. Wir wissen nicht, was Leben für uns bereit hält, welche Aufgaben uns es stellt. Welche davon nehmen wir an und welche weisen wir zurück, wollen nix damit zu tun haben? Das Leben findet dann seine eigenen Wege. Es gibt einen wichtigen Spruch von einem Sterbeforscher und Begleiter, der da mal sagte:

Weise nix zurück – heiße alles willkommen. Wie weise! Und von anderer Seite höre ich, das letztlich alles was im Außen auf uns zukommt, was uns begegnet in welcher Form auch immer, etwas mit uns selbst zu tun hat. Das Außen ein Spiegel meines tiefen Inneren.

 

 

 

 

 

Und was begegnet mir gerade als Spiegel meiner Selbst? Die Brücke von Europa nach Asien, die Brücke die zwei verschiedene Kontinente verbindet. Anstatt auf das Trennende zu schauen, das Augenmerk auf das Verbindende richten. In unserer heutigen Zeit so wichtig.

Werden wir doch durch Ideologie getriebene Politik gepolt das Andere zu verurteilen und die Spaltung weiter zu treiben, bis sie fast, so erscheint es, unüberwindbar wird. Bauen wir an der Brücke und vielleicht wird die andere Seite auch ihre Brückenpfeiler setzen.

 

 

 

 

 

Und so sitze ich hier heute morgen hoch über dem Wasser und lass meine Gedanken in die Welt fliegen und wünsche mir, das ich immer wieder die Bereitschaft habe, mit dem umzugehen, was Schicksal oder Leben für mich bereit hält.
Die Sonne blinzelt, der Himmel und das Meer tiefblau – ein schöner neuer Tag!