oder Traktorspiesse, alte Steine und Austernfischer
24.9.
Guten Morgen, schon wieder ich. Kleine Regenschauer flitzen über mich hinweg und der Duft vom Muschel-und Algenstrand umwabert mich. Neben mir im gebührenden Abstand ein kleines Womo mit Aufstelldach. Sie waren zuerst hier und so baue ich mich am Beginn dieses kleinen Flecken Erdes auf. Ich bin in der Normandie, dort wo einst die Alierten anlandeten, um durchzumarschieren. Geschichtsträchtige Gegend. Ich habe aber keine Lust auf Krieg und Kriegsverherrlichung und lasse Bunker und Kanonen links liegen. Ob wir wohl über die Wirklichkeit des Geschehens, die Warums und Wiesos richtig aufgeklärt wurden? Der Sieger schreibt die Geschichte, ein Spruch, den ich schon immer wieder gehört habe.
Wieviele Geschichten wurden uns erzählt, warum es so kam, wie es kam. Wie konnte ein Despot namens Hitler so groß werden? Wie konnte es passieren, das so viele Deutsche in diesem Drama der Judenvernichtung mitmachten oder anders ausgedrückt, es nicht erkannten? Das „nie-wieder“ ist fest in meinem Denken verankert. Diese Greueltaten dürfen nicht wieder passieren. Die bösen Deutschen – und …? Viele offene Fragen bleiben und die sog. Aufarbeitung der Geschichte, – was ist geworden? Stehen wir heute nicht auch an ähnlicher Stelle. Da wird Kriegspropaganda betrieben vom Feinsten, da werden wir kriegstauglich gemacht und da wird eine Nation als Feind hochstilisiert, ist das so? Wird unsere Meinung über die Geschehnisse der Welt letztlich von den Medien geformt? Zeit, selbst nachzudenken und Verantwortung für die eigene Meinung zu übernehmen.
Gedanken die hier in dieser Gegend gerade auftauchen. Wieviele Narrative, Geschichten, werden uns erzählt und kurz darauf wieder umgebogen, damit man die Angst vor Tod und Leben weiter benützen kann, um Menschleins zu gängeln und einzupferchen. Mit Angst kann man am besten manipulieren. Gewohnheit und Bequemlichkeit unterstüzen dabei. Was habe ich selber gelernt aus all den Geschichten und Erlebnissen, die ich vom Krieg gehört habe. Die kleinen Soldaten selber, die nur von Tag zu Tag gelebt haben, im Himmel ihre Plätze verteilt und auf den „Heimatschuß“ warteten. Dazwischen die Momente des Miteinanders mit dem sog. Feind.
Da standen sie nebeneinander, der Russe und der Deutsche und fragten sich, warum sie eigentlich gegeneinander kämpfen. Was sie damals taten, sie tauschten und halfen sich gegenseitig beim Überleben. Eine Kriegsweihnacht der besonderen Art. Die Deutschen in ihrem Unterstand und die Russen in ihrem kleinen Dorf. Freundschaften entwickelten sich, bis sie weitergetrieben wurden von den Befehlen der Machthaber.
Zurück zur Normandie und meine großen Schritte Richtung Meer. Es ist kühl geworden. Viele graue fette Regenwolken zieren den Himmel. In schnellen Schritten Richtung Meer, so lautet die Devise. Viel verpassen tue ich nicht. Erster Halt die „dreckerte“ Somme oder ein Kanal davon und von dort weiter bis Saint Valery en Caux. Es ist wärmer geworden und die Sonne kommt sogar ab und an durch. Frech wie ich bin, fahre ich einfach einen Feldweg, mehr Feld als Weg Richtung Klippen. Hier ist es gut, hier bleibe ich. Ein gemütlicher Ratsch mit meinem Webmeisterchen und siehe da ein Häckchen und ein Klick auf visuell und alles ist wieder so, wie gehabt. Nun kann ich wieder normal schreiben. Er zeigt mir noch das Röntgenbild meines Blogs und das muß man lesen können, bevor das Skapell eingesetzt wird. Gut, das ich so einen fähigen Doktor an der Seite habe.
Derweil kommt ein Traktor näher und näher. Zwei riesige Heugabeln an seiner Schnauze. Ich geh raus und selten habe ich so zornige Augen gesehen. Am liebsten würde er mich samt Brummeli aufspiessen. Ich mache ihm deutlich, das ich sofort weggehe. Ihm gehts aber irgendwie nicht schnell genug. Bedrohlich umrundet er mich mit seinen Spiessen. Vielleicht versteht er mich nicht und hört und sieht auch nicht meine Entschuldigung. Na gut, er war genervt. Ich habe noch einen anderen Platz bei den alten Steinen im Hinterkopf. Den hatte ich vorher verschmäht. Also vorsicht bei Feldern!
Ein bißchen gucken muß ich aber auch. Ein paar Kilometer zurück nach Veules-les-Roses. Da gibt es einen großen Parkplatz auf einer Wiese, auf der man in der Nebensaison sicherlich auch bleiben dürfte. Ich laufe hinunter zum Strand, zu den weißen Felsen und dem kleinen netten Ort. Es ist Markt mit allem was das Herz begehrt. Meine Kombüse ist noch gut genug gefüllt. Oberhalb des Dorfes steht ein Mahnmal der Alierten. Ich fotografiere es nicht. Laufe weiter zu den Resten einer jahrhundertalten Kirche und durch einen Hohlweg wieder zurück zum Brummeli. Ein kleiner netter normandischer Ort.
Weiter gehts, vorbei an Le Havre und seine große gebogene Brücke Richtung Caen und Bayeux. Hier haben die Austernfischer Hochkonjunktur. Mit Traktoren fahren sie durch die Sümpfe bis ans Meer. Nahe eines Bunkers stehe ich am Ende eines Feldweges. Für die Panzer war es einst nicht schwer hier an Land zu kommen. Wolken zieren noch den Himmel und das Licht kommt nur ein bißchen durch.
Zeit weiter zu rollen, da wo der Himmel blau ist, die Sonne warm und der Wind nicht zu stark. Mal gucken!